Zeitraum: | 27.01.2024 - 13.02.2024 |
Revier: | Atlantik, Karibik, Martinique, Le Marin - Guadeloupe, Pointe-à-Pitre |
Boot: | eMMa - Moody 44 - Markus |
Crew: | Markus Melanie Andrea Jürgen |
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Wochenbericht 65 - Von Martinique nach Guadeloupe - die Tour de Rhum mit Andrea und Jürgen
Uns bleiben zwischen der Abreise von Dorothee und Klaus und der Ankunft unserer Freunde Andrea und Jürgen nur ein paar Stunden zum Wäsche waschen, putzen und einkaufen. Bei soviel Organisation ist zum Glück wenig Platz für Traurigkeit. Und rasch überwiegt eben auch die Vorfreude auf unsere besten Freunde.
Am Samstag Abend, 27.01.2024, holen wir die beiden mit dem Mietwagen vom Flughafen ab. Um uns die Parkgebühren zu sparen, warten wir vor dem Flughafen auf die Nachricht, dass die beiden gelandet sind und herauskommen. Während unserer Wartezeit gibt es einen kurzen Moment der innerlichen Unruhe, denn mehrfach sind „Schüsse“ zu hören! Zumindest hört es sich wie solche an. Da wird einem ganz mulmig. Zum Glück müssen wir nicht lange warten und können unsere Freunde endlich in die Arme schließen und ins Auto einladen. Bei eMMa angekommen, verstauen wir das Gepäck der beiden zunächst mal unter Deck. Wir hatten uns schon vorher überlegt, dass wir Andrea und Jürgen unsere Achterkabine überlassen wollen. Wir haben das Vorschiff ja bereits in den letzten Wochen belegt, also können wir gleich dort bleiben. Die Zwei sind sichtlich gerührt und freuen sich sehr darüber. Nach dem Auspacken und Einrichten sitzen wir sehr entspannt und bei völliger Flaute, was wir noch nie in der Karibik hatten, im Cockpit, genießen einen Willkommens-Getränk, natürlich mit Rum, und unterhalten uns noch lange. Über die Bucht schallen dabei immer wieder „Schüsse“. Später hören wir auch Sirenengeheul. Was ist denn bloß hier los? Gut, dass wir mitten in der Bucht vor Anker liegen! Das Geheimnis um die ominösen „Schüsse“ lüftet sich am folgenden Tag. Keiner von uns hat daran gedacht, dass wir uns bereits in der Karnevalszeit auf Martinique befinden. Die jungen Leute frisieren ihre Autos so, dass sie Fehlzündungen produzieren und nehmen damit an den Karnevalsumzügen teil. Je kürzer der Abstand der Fehlzündungen hintereinander und je lauter, desto besser. Wir werden noch so einige Autos sehen und hören, aus deren Auspuff richtige Stichflammen schießen!
Für Melanie gibt es noch ein Grund, warum sie über unseren Besuch besonders glücklich ist. Sie hat nun endlich wieder ein funktionierendes Handy!
Den Sonntag nutzen wir für einen Ausflug. Wir haben noch bis Montag Morgen den Mietwagen zur Verfügung und wollen zu viert auf die Halbinsel „la caravelle“. Die Landzunge liegt an der Ostseite von Martinique und beherbergt eine sehr eigensinnige Flora und Faune. Doch kaum haben wir den Wagen am Parkplatz abgestellt, kommen wir auch schon an einem kleinen Eisstand vorbei. Da können wir selbstverständlich nicht vorbei laufen! Das Sorbet ist köstlich! Das Kokoswasser aus der Trinknuss ebenfalls. So gestärkt wandern wir los. Es geht durch Waldstücke, niedriges Buschwerk und ausgetrocknete Tümpel, entlang an der schroffen und wunderschönen Atlantikküste und ausgetretenen Pfaden bis wir schließlich an den Überresten einer Zuckerrohrplantage ankommen. Wir merken ganz deutlich, für die Zeit mit Andrea und Jürgen hätten wir vorher mehr trainieren sollen! Doch die zwei sind sehr geduldig mit uns. Ihnen bleibt ja auch nichts anderes übrigen, schließlich haben wir den Autoschlüssel in der Tasche ;-)
Am 29.01.2024 müssen wir am Morgen erst einmal einkaufen. Wir hatten den Großeinkauf am Samstag zeitlich nicht mehr geschafft. Andrea und Jürgen finden das gar nicht schlimm und freuen sich schon richtig auf das Einkaufen! Markus bringt früh morgens den Mietwagen wieder weg und als er mit dem Bus in Le Marin wieder ankommt, treffen wir uns alle am Supermarkt. Der Vorteil am Supermarkt in Le Marin ist, dass er einen eigenen Steganleger hat. So fährt man mit dem Dinghy an den Steg, wie in Deutschland mit dem Auto zum Einkaufen. Mit vollgepacktem Einkaufswagen geht es dann wieder bis zum Steg. Dort laden wir die Taschen in den Kofferraum, ach ne, ins Dinghy und bringen den Einkaufswagen zurück zum Unterstand. So komfortabel haben wir es selten. An Bord sind die Einkäufe rasch verstaut. Am Abend sind wir mit anderen Seglern verabredet. Melanies Kollegin Monika ist ebenfalls mit dem Boot in der Karibik unterwegs und so kommt es zu einem Dozentenmeeting im kleinen Kreis auf der anderen Seite des Atlantiks. Es ist schön, wenn man seine Kollegin auch mal live und in Farbe trifft.
Nach dem Frühstück brechen wir am 30.01.2024 auf. Wir segeln entlang der Küste bis an die Westseite von Martinique. Ursprünglich hatten wir eine andere Bucht im Visier gehabt, allerdings ist dort ankern verboten und die letzte Muringboje wurde uns vor der Nase weggeschnappt. So landen wir in der Anse Dufour. Bei der Einfahrt in der Bucht kommt uns ein Kajak entgegen. Der Mann grüßt freundlich und erklärt uns, dass wir hier gerne ankern dürfen, aber bitte Rücksicht auf die Seegraswiese nehmen sollen. Er zeigt uns auch gleich, wo der Anker fallen darf und ab wo nicht mehr. Das gefällt uns sehr. Wir achten da sowieso immer ganz besonders drauf, aber manchmal ist es von oben schlecht zu erkennen. So ankern wir mitten in der Bucht. Jedoch liegen wir unserem Nachbarlieger zu dicht auf der Pelle. Jedenfalls nach seiner Einschätzung. Platz ist da noch genug. Trotzdem beginnt uns mit enorm lauter Musik zu beschallen. Als das nichts hilft spielt er Aufnahmen einer kreischenden Frauenstimme ab. In der Zwischenzeit geht Markus ins Wasser und schaut nach dem Anker. Der Grund ist hier etwas steinig und seine Kontrolle bestätigt, dass der Anker sich nicht so schön eingegraben hat, wie wir das sonst gewohnt sind. Unser Nachbar ist derweil auf Schlagermusik und Heavy Metal umgestiegen, um uns zu vertreiben. Wir tanzen dabei aber einfach zur Musik und müssen sehr lachen. Trotzdem gehen wir Anker auf und bringen den Anker neu aus. Diesmal sitzt er sofort perfekt. Nur schade, dass unser Ankernachbar nun glaubt erfolgreich mit seiner Aktion gewesen zu sein. Aber so weit entfernt liegen wir von ihm nun auch wieder nicht. Später stellen wir fest, dass der Engländer noch nicht einmal alleine an Bord ist. Eine Frau und ein Hund sind auch dabei. Letztere tut uns sehr leid, denn die Musikbeschallung war wirklich extrem laut. Was für eine Tierquälerei!
Die Bucht selbst gefällt uns sehr gut. Wir gehen eine Runde schwimmen und beobachten Meeresschildkröten. Nach einer schönen Dusche an Deck, sitzen wir gemütlich im Cockpit und genießen einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang.
Den 31.01.2024 beginnen wir mit einem gemütlichen Frühstück im Cockpit. Andrea und Jürgen gehen jeden Morgen noch vor dem Frühstück schwimmen. Was aber nicht heißt, dass wir im Tagesverlauf nicht noch mindestens einmal alle gemeinsam plantschen gehen. Nach dem Frühstück wollen Melanie, Andrea und Jürgen schnorchelnd die Südseite der Bucht erkunden, während Markus unsere Tauchflaschen füllt. Dazu muss er den Kompressor aber erst startklar machen. Er war bis jetzt noch im Winterschlaf. Hier gibt es so viele Fische zu bestaunen. Kaum sind wir los geschwommen sehen wir auch schon wieder die erste Schildkröte. Melanie kann den beiden viel über einzelne Fische erzählen. Und Jürgen übt sich im Freediving. Zurück an Bord erzählt Markus, dass es heute mit dem Tauchen wohl noch nichts wird. Der Kompressor leckt. Gemeinsam mit Jürgen macht er sich an die Fehlersuche und Reparatur. Und sie sind auch erfolgreich dabei. So können wir dann doch noch die Flaschen füllen und Jürgens Tauchausbildung steht nichts mehr im Weg.
Am folgenden Tag, dem 01.02.2024, ist es soweit und Jürgens erster Tauchgang steht, nach viel Theorie, auf dem Plan. Breit grinsend und überglücklich kommt er aus dem Wasser. Wir lassen sofort den Tauchkompressor wieder laufen und füllen die Flaschen erneut, da wir (Melanie und Markus) einen Tauchgang an einem Wrack machen möchten. Das Wrack Nahoon liegt ganz in der Nähe der Anse Dufour auf einer Tiefe von etwa 35 m. Wir steigen an der Bojenleine im Freiwasser ab. Die drei Masten des alten Seglers sind mit der Weile abgeknickt und liegen quer über dem Wrack. Sie sind reich bewachsen. Die Fische fühlen sich hier sehr wohl. Es ist wunderschön zu sehen. Wir drehen eine Runde über das Deck, schauen am Heck einem riesigen Schwarm Fischen zu und machen uns dann auch schon wieder an den Aufstieg, denn Markus Luftverbrauch ist deutlich größer als Melanies. Die Strömung ist hier nicht zu unterschätzen und so hängen wir unsere Deko an der Bojenleine ab, bevor wir zurück ins Dinghy klettern. Zurück an Bord überlegen wir gemeinsam, ob wir nicht eine größere Tauchflasche für Markus besorgen wollen. Die müsste aber an Bord auch vernünftig verstaut werden können. Und sie lässt sich natürlich auch noch schlechter hoch und runter schleppen. So entsteht die Idee für eine Stage-Flasche. Das ist eine zusätzliche, kleinere Flasche, die nicht auf dem Rücken getragen wird, sondern seitlich am Körper mit geführt wird und einen eigenen Atemregler hat. So eine Flasche bekommen wir bei uns an Bord gut gehändelt und verstaut.
Am 02.02.2024 diskutieren wir beim Frühstück über die aktuelle Wetterlage. Die Flaute-Phase bleibt nach wie vor bestehen, dazu gesellt sich ein unangenehmer Schwell. Um dem etwas zu entgehen, entscheiden wir uns für eine Überfahrt nach Le Lametin bei Fort-de-France. Die folgende Nacht verbringen wir an einer Muringboje vom Hafen. Die Sanitäreinrichtungen können wir dieses Mal leider nicht nutzen, da im Hafenbüro aufgrund eines Streiks niemand mehr anzutreffen ist. Schade, wir hatten uns doch ein wenig auf eine heiße Dusche gefreut. Aber schlimm ist es nicht wirklich, schließlich haben wir an Bord alles, was wir brauchen, um autark zu sein. Wir nutzen den Dinghysteg vom Hafen. Hier wird Jürgen das Leid eines Langfahrtseglers bewusst, als er feststellen muss, dass seine Flip Flops leider an Bord geblieben sind. Zurückfahren möchte er aber auch nicht und so läuft er tapfer barfuß. Dies ist in der prallen Mittagssonne kein Vergnügen. Er hüpft von einem Schatten parkender Autos zum nächsten und tut uns allen leid. Markus macht sich in der Zwischenzeit mit unserem E-Roller auf zum Yachtausrüster. Unser Dinghy muss dringend repariert werden. Es verliert Luft. Zwar haben wir ein Reparaturset an Bord, aber wie es sich für so ein Reservekit gehört, ist der Kleber völlig eingetrocknet. Derweil reservieren wir drei andere im Le Spice für den Abend einen Tisch und gehen einkaufen. Neben Lebensmittel für die nächsten Tage wandern auch süße Teilchen der örtlichen Bäckerei in unsere Rucksäcke. Als auch Markus zurück an Bord ist, werden die kleinen süßen Kunstwerke natürlich gerecht geteilt und verköstigt. Das Essen abends im Le Spice ist sehr lecker und es wird ein wunderschöner Abend.
Am 03.02.2024 will Markus uns ordnungsgemäß im Hafenbüro anmelden und den Liegeplatz bezahlen. Die Nacht kostet uns hier gerade mal 6 Euro, also wollen wir gerne eine weitere Nacht bleiben. Doch der Hafenmeister muss uns leider enttäuschen. Für die nächste Nacht sind alle Bojen bereits vorbestellt. So lösen wir unsere Leinen und fahren eine Seemeile weiter in eine Ankerbucht, die wir vom letzten Jahr her kennen. Kaum am neuen Ankerplatz angekommen, machen sich Melanie und Jürgen an die Dinghy-Reparatur. Die Trocknungszeiten des Klebers werden von uns aufgrund der hohen Außentemperaturen und der fachmännischen Einschätzung unserer Gäste großzügig gekürzt. Dabei überwacht Andrea akribisch den Timer. Immer wieder versuchen Regenschauer unser Ergebnis zu ruinieren, aber wir halten tapfer dagegen und decken den Arbeitsbereich regensicher ab. Nach einem besonders starken Regenguss über der Insel ergießt sich eine bräunliche Brühe ins Meer. Gut, dass wir heute bereits schwimmen waren.
Unser Ziel am 04.02.2024 wird St. Pierre, denn dort möchten wir ausklarieren. Die Überfahrt ist angenehm. Noch immer hängen dicke Wolken über den Bergen der Inseln. Auch der Monte Pelé ist in einer dichten Wolkenhülle verpackt. Da wir uns aktuell in der Karnevalssaison befinden, hatten wir unsere Gäste selbstverständlich gefragt, ob wir gezielt nach Karnevalszügen und -Veranstaltungen Ausschau halten sollen. Andreas Aussage dazu war: „Muss nicht unbedingt sein. Wenn wir irgendwo hineinstolpern, dann nehmen wir es mit. Sonst eben nicht!“ Und so stolpern wir im wahrsten Sinne des Wortes mitten in den örtlichen Karnevalsumzug von St. Pierre, als wir das kleine Café nach dem Ausklarieren verlassen. Rund um uns herum werden Stände aufgebaut. Menschen, groß und klein, kostümiert oder ungeschminkt, tummeln sich auf der Straße. Ganz spontan, wie es so eine Situation verlangt, beschließen wir uns das Spektakel anzusehen. Wir kaufen uns Grillspezialitäten und Quiche von einem der Straßenstände. Das Essen schmeckt einfach „magnifique“ und „trés bien“, was wir den netten Verkäuferinnen nach der Vertilgung auch sofort mitteilen. Derweil zieht der kleine Karnevalsumzug an uns vorbei, dicht gefolgt von der örtlichen Jugend in ihren frisierten Autos, die ständig Fehlzündungen abgeben. Wir halten reichlich Abstand und uns die Ohren zu. Und während wir so gemütlich am Strand stehen, unser Essen genießen und dem lustigen Treiben zusehen, enthüllen die Wolken endlich mal den Gipfel des nahegelegenen Vulkans. Was für ein Anblick!
Unter Passatsegel geht es am 05.02.2024 aus der Bucht hinaus Richtung Dominika. Schon früh können wir am Horizont die hohe Küste der Nachbarinsel ausmachen. Die Wellen sind etwas höher als erwartet, trotzdem geht es allen an Bord richtig gut. Aufgrund des defekten Autopilot wechseln wir uns beim Ruder gehen ab. Zum Sonnenuntergang kommen wir in der südwestlichen Bucht von Dominika an. Jedoch ist der Schwell hier doch sehr unangenehm. Hinzu kommt, dass die Wassertiefe rapide vom Land her abfällt und bereits wenige Meter vor dem Strand schon keine akzeptable Ankertiefe vorhanden ist. Die Muringbojen sind alle besetzt. Wir beraten uns gemeinsam und beschließen dem Küstenverlauf zu folgen und in der nordwestlichen Bucht vor Anker zu gehen. Hinter den hohen Bergen der Insel herrscht Windstille und so muss unser Dieselmotor unterstützen. So fahren wir durch die Nacht. Dabei haben wir am Horizont eine merkwürdige Erscheinung. Die beleuchtete Silhouette eines Ottifanten erscheint uns voraus. Noch nach dem Ankermanöver am äußeren Rand der Ankerbucht auf etwa 10 m Wassertiefe philosophieren wir über dessen Herkunft.
Am 06.02.2024 nach dem Frühstück überlegen wir gemeinsam, wie es jetzt weiter geht. Sollen wir auf Dominika einklarieren und die Insel erkunden? Oder doch lieber gleich weiter durch bis nach Guadeloupe? Der Grund für unsere Überlegungen ist die aktuelle Wetterlage. Normalerweise bläst hier in der Karibik ein stabiler Passatwind. Aktuell liegt ein unglaublich großes Tief über dem Nordatlantik und klaut uns hier den Wind. Und in den nächsten Tagen wird sogar Westwind vorher gesagt! Dieses Phänomen kommt in der Karibik nur sehr selten vor. Und alle guten Ankerbuchten und Häfen finden sich überwiegend auf den Westseiten der Inseln. Guadeloupe hat aufgrund seiner natürlichen Form da etwas mehr Schutz auch vor Westwind zu bieten. So entscheiden wir uns schweren Herzens gegen das Einklarieren auf Dominika. Stattdessen gehen wir Anker auf und segeln Richtung Guadeloupe. Als Ziel haben wir jedoch nicht die Hauptinsel, sondern die kleinen vorgelagerten Inseln der Les Saintes auserkoren. Zwischen den Inseln nimmt die Welle wieder deutlich zu, auch dreht der Wind. Und dann sehen wir Delfine!
Die Inselgruppe der Les Saintes besteht aus mehreren bewohnten und unbewohnten Inseln. Die Durchfahrt von Süden aus erfordert gerade bei hohen Wellen Konzentration. Kaum sind wir zwischen den Inseln lässt der Schwell deutlich nach. Wir tuckern bis in die Bucht vor dem kleinen Ort Terre-de-Haut. Die Bucht ist gut gefüllt, trotzdem finden wir einen guten Platz. Markus taucht routinemäßig unseren Anker ab und muss feststellen, dass er sich nicht so gut eingegraben hat, wie er es normalerweise tut. Wahrscheinlich lag ein Stein im Weg. Seine Aussage dazu ist „Solange es keine 30 kn Wind gibt, ist es normalerweise kein Problem, aber wir sollten ihn gleich noch einmal neu einfahren!“ Kaum ist er abgetrocknet, fegen Fallböen die kleinen Berge der Insel hinunter. Verursacht werden sie durch ein kleines Squallgebiet, welches die Inselgruppe streift. Von jetzt auf gleich haben wir am Ankerplatz die befürchteten 30 kn. Nun muss alles schnell gehen. Markus geht ans Ruder und entlastet die Ankerkette, besonders in den Böen. Melanie bereitet alles vor, geht Anker auf. Anschließend dreht Markus einen Kreis, hält den Bug in den Wind, während Melanie den Anker wieder fallen lässt und reichlich Kette gibt. Das Einfahren des Ankers übernimmt in einer solchen Situation dann bereits der Winddruck. Der Anker sitzt bombenfest und wir sehen uns das Spektakel nun gemütlich im Cockpit sitzend an. Andrea und Jürgen loben nach dieser Aktion unser eingespieltes Team, die Ruhe und Besonnenheit. Das geht runter wie Öl! Von den anderen Booten drumherum haben wir ja nicht ganz so viel mitbekommen, aber nicht bei allen hat es sich wohl so ruhig abgespielt wie bei uns.
Am Abend sehen wir beim Sonnenuntergang unseren Ottifanten wieder und können das Geheimnis lüften. Es handelt sich dabei um die dekorative Beleuchtung eines Segel-Kreuzfahrtschiffes!
Wir bleiben noch die nächsten fünf Tag auf den Les Saintes. Gemeinsam erkunden wir den pittoresken Ort, machen einen Ausflug zum Fort Napoleon, gehen schwimmen, schnorcheln und tauchen, Markus macht mit Jürgen den Tauchschein zu Ende und sie nehmen gemeinsam unseren Autopilot in Augenschein. Wieder einmal ist der OP eMMa eröffnet. Diagnose: Der Stellmotor muss auseinandergenommen werden. Das geht mit unserem Bordwerkzeug leider nicht und kurzerhand beschließt Jürgen den Autopilot mit nach Deutschland zu nehmen, zu reparieren und wir können ihn dann im Winter wieder mit zurück zu eMMa nehmen.
Außerdem wettern wir die Westwindphase mit der anschließenden, sehr ungemütlichen Nordwind- und Nordschwellphase ab. eMMa bockt am Ankerplatz wie ein wildgewordenes Pferd. Es laufen Wellen von 2,5 m in die Bucht. Melanie und Andrea nehmen beide vorsichtshalber Tabletten gegen Seekrankheit ein. An Schlaf ist in dieser Nacht nicht zu denken. Jürgen und Markus halten dankenswerterweise Ankerwache. Wir sind alle sehr froh, als der Starkwind vorbei ist und die Wellen deutlich abnehmen. Unser Anker hat hervorragend gehalten. Das erging leider nicht allen so. Eine Segelyacht wurde an den Strand gespült. Zum Glück wurde niemand verletzt und die Familie konnte erst einmal bei Freunden an Bord deren Segelyacht unterkommen.
Am folgenden Tag holen wir selbstverständlich erst einmal viel Schlaf nach und lassen es langsam angehen. Bereits wenige Stunden nach dem Sturm liegt das Wasser relativ unbewegt vor uns, als wenn nichts gewesen wäre. Die Schlagzeilen der örtlichen Zeitung zeugen jedoch eindrucksvoll von diesem Ereignis. Auch für die Einheimischen war dies nichts Gewöhnliches!
Am 11.02.2024 machen wir uns dann auf den Weg Richtung Norden. Pointe-à-Pitre ist nicht nur unser Tagesziel, sondern beherbergt auch den Flughafen von Guadeloupe. Von hier werden Andrea und Jürgen bald schon ihren Rückflug antreten. Doch zunächst geht es an diesem Tag für uns alle auf unfreiwillige Kreuzfahrt. Nein, nicht mit einem Kreuzfahrtschiff, sondern mit eMMa. Kreuzfahrt deshalb, weil der Wind aus der Richtung kommt, in die wir müssen. Für ein Segelboot bedeutet dies, es muss kreuzen. So halten wir über Stunden immer wieder direkt auf die Küste der Insel zu, fahren eine Wende und fahren anschließend mit einem Kurs Richtung offenen Atlantik. Bevor wir wieder wenden und das ganze Spiel von vorne losgeht. Je näher wir dabei der Küste kommen, desto näher kommt uns auch die Regenfront. Jürgen und Melanie halten tapfer die Stellung im Cockpit. Auch wenn der Regen nicht eiskalt ist, hält sich die Begeisterung über diese unfreiwilligen Duschen jedoch stark in Grenzen. Trotzdem nehmen wir es mit Humor. Andrea und Markus ebenfalls, jedoch haben die beiden es sich unter Deck auf der Salonbank gemütlich gemacht. Ist auch besser so. Es reicht ja schließlich wenn zwei Leute den Arsch nass bekommen. Einige Stunden und viele Wenden später lässt Melanie sich aber von Markus ablösen. Etwas ausruhen und trockene Sachen anziehen, kann ja nicht schaden. Kaum ist sie unter Deck verschwunden, dreht der Wind etwas und ein direkter Kurs auf Pointe--Pitre kann angelegt werden. Ab jetzt heißt es aber Ausschau nach „Bällchen“ halten. Bällchen ist unsere interne Bezeichnung für die kleinen Bojen der Fischer, die in den Wellen nicht gut auszumachen sind. Da wir aber so eine Boje nicht unbedingt mit unserem Kiel, dem Ruder oder der Schraube einsammeln möchten, müssen wir gut die Augen aufhalten. Bällchenfrei und mit zügiger Fahrt unter Segeln erreichen wir die Einfahrt in die Bucht von Pointe-à-Pitre. Wir müssen etwas suchen, finden dann aber einen guten Ankerplatz. Die Verhältnisse erinnern uns stark an die vollen Buchten im Sommer vorletzten Jahres auf Mallorca. Aber alles passt perfekt. Unser Ankerfeld liegt direkt neben dem Fahrwasser des großen Industriehafens. Frachtschiffe, Tanker und Kreuzfahrtschiffe fahren quasi direkt an unserem „Garten“ vorbei.
Am Morgen des 12.02.2024 werden wir durch Vogelgezwitscher geweckt. Schwalben haben sich unsere Genuaschot als Rastplatz ausgesucht und trällern lustig vor sich hin. Uns wurde erst gestern Abend so richtig bewusst, dass wir mitten zum Höhepunkt des Karnevals hier angekommen sind. Gestern Abend knallte es überall. Es hörte sich zwar etwas anders an als auf Martinique, aber wir kennen das ja nun schon. Ein Blick in den Kalender bestätigte unseren Verdacht! Heute ist Rosenmontag! Doch zunächst machen Markus und Andrea sich am Morgen auf den Weg zum Bäcker. Andrea spricht sehr gut französisch, was uns in den letzten Wochen eine enorme Hilfe war. Dank einer weiteren Seglerin, die mit ihrem Dinghy ebenfalls am selben Dinghysteg anlegt, finden sie nicht nur einen Weg vom Gelände des, im Moment verschlossenen, Yachtclubs, sondern auch den „besten Bäcker der Stadt“. Als wir uns am Nachmittag wieder am Dinghysteg des Yachtclubs einfinden, um die Stadt zu erkunden, sind die Tore geöffnet. Pointe-à-Pitre ist, sagen wir mal, speziell. Die Hafenstadt war lange Zeit DER Drogenumschlagsplatz zwischen Karibik und Europa. Seit einigen Jahren versucht die Stadt ihr Image deutlich zu verbessern. Gegen Kriminalität wird besser vorgegangen. Was sich vielleicht in der Kriminalstatistik ausdrückt, zeigt sich leider jedoch kaum im Stadtbild. Viele Häuser sind heruntergekommen, die Straßen sind sehr dreckig. Um das Ganze ein wenig zu „kaschieren“ wurden Street Art Künstlern Flächen zur Verfügung gestellt. Überall findet sich Graffiti, welches teilweise sehr kunstvoll gestaltet ist. Eigentlich wollten wir uns auch die örtliche Kirche ansehen, sie gilt schließlich als Touristenattraktion. Doch sie ist geschlossen. Wir laufen über die Straße und stehen direkt vor einem Brillengeschäft. Melanie hat sich letztes Jahr auf Elba ja eine neue Brille gekauft. Leider hat sie dort keinen Brillenpass mit den aktuellen Werten erhalten. Da sie aber überlegt sich ggf. eine neue Tauchermaske mit Stärken machen zu lassen, muss sie ihre Brille beim Optiker auslesen lassen. Da Andrea sehr gut Französisch spricht, fragt sie diese um Hilfe und beide betreten das Geschäft. Markus und Jürgen warten draußen. Kann ja nicht lange dauern! Aber Melanie verliebt sich in eine schicke Sonnenbrille, lässt sich mit Andreas Hilfe ein Angebot für passende Gläser machen und schlägt gleich zu. Abholen kann sie die Brille in etwa 14 Tagen. Das passt doch sehr gut. Denn solange sind wir ja sowieso noch hier auf Guadeloupe, denn dann kommen Lara und Jannik an Bord.
An der Bushaltestelle in der Stadt versuchen wir herauszubekommen, wann morgen der Bus zum Flughafen fährt. Wie sich herausstellt fährt morgen aber keiner, weil hier die große Parade am Nelkendienstag entlang läuft und die Straßen alle gesperrt sind. Kurzerhand organisiert Andrea mit der Hilfe von Einheimischen für den morgigen Tag ein Taxis, welches die beiden an der nahegelegenen Marina einsammeln wird. Noch mal Glück gehabt!
Wir erkunden weiter die Straßen der Stadt und stolpern abermals mitten in einen Karnevalsumzug. Es handelt sich um einen kleinen Ortsteilumzug, der überwiegend aus Schulklassen besteht. Hier lüftet sich auch das Geheimnis der Knallerei. Die Kinder und auch einige Erwachsenen knallen mit Peitschen. Fasziniert beobachten wir, wie geschickt bereits die Kleinsten diese Technik beherrschen. Der Ursprung dieser Tradition liegt im Umdrehen der Rollen zur Zeit der Sklaverei. Ein wirklich düsteres Kapitel der Menschheit, wie wir im örtlichen Museum in den nächsten Wochen noch näher erfahren werden. Der Karneval der Karibik ist trotz, oder gerade wegen, dieser Geschichte bunt, laut, rhythmisch. Niemand kann sich diesem Rhythmus entziehen. Man fängt automatisch an sich im Takt der Trommeln mitzubewegen. Den Abend lassen wir mit den unheimlich vielen Eindrücken des Tages im Restaurant des Yachtclubs ausklingen.
Der 13.02.2024 beginnt mit dem passenden Wetter zu unserer Gefühlswelt. Regen ergießt sich in Sturzbächen über eMMa. Doch genauso schnell wie der Regen gekommen ist, zieht er auch wieder ab. Und zeichnet beim Weiterziehen wunderschöne Regenbögen an den Himmel. Unsere Gefühle fahren ebenfalls Achterbahn. Traurigkeit des bevorstehenden Abschieds mischt sich mit der unbändigen Freude über die wunderschöne, gemeinsam erlebte Zeit. Ein letzter gemeinsamer Drink in einem nahegelegenen Restaurant. Das Taxi kommt für karibische Verhältnisse mehr als pünktlich und der Abschied ist unausweichlich. Die Zeit war so so so so so so schön mit euch beiden!
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