Zeitraum: 02.01.2023 - 01.01.2023
Revier: Atlantik, Spanien, Kanaren, Gran Canaria, Las Palmas - Karibik, Barbados, Bridgetown
Boot: eMMa - Moody 44
Crew: Markus
Melanie


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Wochenbericht 50 - Atlantiküberquerung

Am Morgen des 02. Januar 2023 wird noch das Obst und Gemüse und die Eier geliefert. Es dauert ein wenig, bis Melanie alles sicher verstaut hat. Markus wundert sich immer noch, wie sie das überhaupt geschafft hat! Auch die Nala hat eine Gemüselieferung erhalten und alles sicher verstaut. Jetzt geht es für uns noch einmal gemeinsam an die Tankstelle. Noch einmal volltanken, noch einmal umarmen, aufgeregt sind wir schon, ängstlich aber nicht. Jetzt geht es wirklich los. Los über den Atlantik!

Um 17 Uhr Ortszeit legen wir ab und fahren raus aus dem Hafen von Las Palmas de Gran Canaria. Wir wissen, dass wir die ersten Stunden nur unter Motor unterwegs sein werden, aber wir haben uns bewusst für einen sanften Start entschieden. Vorbei an große Ankerlieger, vorbei an der Insel. Schon bald verschwindet sie in der Nacht und wir nehmen unseren gewohnten 3 Stunden Rhythmus auf. In der Nacht nehmen Wind und Welle bereits so zu, dass wir unter Passatsegeln und ohne Motor gut voran kommen. Wir müssen uns erst wieder daran gewöhnen, aber es läuft ganz gut. Markus ist etwas seekrank. Das kommt immer mal wieder vor, aber er weiß dann auch selbst am besten, was ihm gut tut. Meistens ist es eine Kleinigkeit essen, Cookies gehen immer, und schlafen. Der achterliche Wind lässt uns gut voran kommen, ab und zu gibt es auch leichte Böen, aber nichts wildes. Auch die Schiffsbewegungen halten sich in Grenzen. Trotzdem bricht unser mobiler Spibaum einfach entzwei. Wie ein Streichholz ist er einfach abgebrochen. Wir bergen die Überreste gemeinsam und überlegen uns eine alternative Strategie. Wir nutzen den Großbaum und lassen die Schot des Passatsegels an Backbord über das Ende des Großbaums laufen. Zusätzlich wird der Großbaum mit einem sogenannten Bullenstander gesichert. Das ist quasi ein Seil, was dafür sorgt, dass der Großbaum nicht hin und her schwanken kann. Es funktioniert so auch ganz gut, nur haben wir nicht mehr einen ganz optimalen Winkel zum Wind. Denn wenn wir zu weit in den Wind kommen, dann fällt die Backbordhälfte des Segels ein. Wir sprechen mit der Nala über Funk und lassen uns gemeinsam die Option auf die Cap Verden noch offen, falls es mit der Alternative für den Spibaum doch nicht so gut läuft.

Wir finden unseren Rhythmus. Auch wenn alles noch sehr anstrengend ist. Ein richtiger Schlafrhythmus stellt sich noch nicht ein. Dadurch sind wir auch tagsüber ziemlich platt. Essen und Trinken klappt aber bereits ganz gut, besonders Obst essen wir viel und gerne. Die Großbaum-Alternative funktioniert so gut, dass wir uns gemeinsam mit der Nala entschließen den Kurs zwar südlich, aber schon mit einer guten Portion West zu machen. Nun heißt es also wirklich, wir nehmen Kurs auf die Karibik! Bereits nach 3 Tagen sehen wir keine anderen Schiffe mehr. Markus Seekrankheit wird jeden Tag besser und mit der Nala funken wir mehrfach täglich. Wir fahren immer in Sichtweite. Das heißt, dass maximal 4-5 sm zwischen unseren Booten liegen. Mal sind wir vorne, mal die Nala, mal fahren wir parallel. Kursänderungen und Neueinstellungen an den Segeln sprechen wir immer über Funk ab. Alle zwei Tage senden wir eine aktuelle Statusmeldung an unsere Homepage und rufen regelmäßig Wetterdaten über Pactormodem ab. Und als Klaus, der Mann von Markus Mama, Geburtstag hat, senden wir eine Geburtstagsgrußemail an ihn. Wer kann schon behaupten, dass er eine Geburtstagsgrußemail mitten vom Atlantik erhalten hat!

Bereits in den ersten Tagen der Überfahrt nehmen wir unsere Windfahne Frieda in Betrieb. Melanie besteht jedoch darauf, dass sie nur tagsüber steuern darf, denn Frieda entpuppt sich als ADHS-Kind. Sie benötigt unendlich viel Aufmerksamkeit. Sie steuert total gut, aber aus den Augen darf man sie nicht lassen! Fühlt sie sich unbeobachtet, dann zickt sie herum und ändert einfach den Kurs oder läuft ganz aus dem Ruder. Bei der Windfahne der Nala wird nach ein paar Tagen ein Borderline-Syndrom diagnostiziert. Sie zeigt klare Symptome von selbstverletzendem Verhalten. Christoph hat sie bereits mehrfach mit Bordmitteln repariert.
Nach ein paar Tagen gibt Frieda ihr Gezicke auf und steuert gut und zuverlässig. Vielleicht lag es ja doch an der Welle. Und so darf sie auch über Nacht steuern und sie verhält sich ganz brav. Melanie spricht aber auch immer in ihrer Wache mit Frieda!

Am 6. Januar 2023 sind wir gut im Bordalltag angekommen. Wir haben unseren Rhythmus gefunden und halten unsere Wachen etwas flexibler. 3 Stunden sind unser Richtwert. Fühlt man sich gut, kann man auch länger machen. So bekommt jeder von uns ausreichend Schlaf und Erholung. Nachmittags gönnen wir uns eine Dusche im Cockpit. Wir lieben unser Centercockpit, denn das Duschen ist dort ganz gefahrlos und ohne Sicherungsgurt möglich. Geduscht wird im Sitzen hinter dem Steuerrad, denn dort befinden sich die Lenzrohre, also die Abläufe im Boden. Und frisch geduscht fühlt man sich doch gleich besser. Es läuft richtig gut und dann kommen auch noch Delfine! Rund 20 Tiere schwimmen um eMMa herum, springen aus dem Wasser und drehen noch eine Runde. Wir können uns gar nicht daran sattsehen. Das Lächeln auf unseren Gesichtern wird immer breiter und bleibt noch viele Stunden wie eingemeißelt darauf bestehen.

Bereits einen Tag später ist die Idylle auch schon wieder vorbei. Die Wellen werden höher, die Schiffsbewegungen heftiger. Melanie wollte unseren kleinen Trinkwasserkanister (mit Zapfhahn) auffüllen. Bei einer kräftigen Welle rutscht ihr der Kanister aus der Hand und rund 2 Liter Wasser ergießen sich über den Boden. So wird zwangsweise heute die Pantry und der Salon feucht gewischt. Gut, dass es nur Wasser ist und kein Saft. Gerade bei Melanie spielen die Emotionen Achterbahn. Glücksmomente wechseln sich mit Streit ab, der bereits durch Kleinigkeiten entstehen kann. Das hält nicht lange an, genauso rasch vertragen wir uns auch wieder. Energie kostet es uns aber trotzdem und dann reicht bei Melanie ein Lied aus der Playlist, um die Tränen laufen zu lassen. Markus meint, morgen wird es sicherlich besser!

Am 8. Januar 2023 machen wir unsere 10.000 sm mit eMMa voll! Das feiern wir natürlich, kochen etwas leckeres und genießen gemeinsam die Zeit an Bord. So viele Seemeilen haben wir nun schon mit unserer eMMa zurück gelegt. Wir können uns noch daran erinnern, wie es war, als wir sie das allererste Mal in Griechenland gesehen haben! Irgendwie passte es einfach und wir wussten ziemlich schnell, das ist unser Boot! Da wir noch mehr Strecke nach Süd machen wollen, um der Randzone mit seinen Squalls aus dem Weg zu gehen, müssen wir auf Groß und Genua umbauen. Hört sich einfach an, ist aber aufgrund der Wellensituation und den Sicherungsmaßnahmen immer ein großer Aufwand.

Regelmäßig funken wir mit der Nala. Je nachdem, wer bei denen Wache hat und je nachdem, wer bei uns Wache hat, kommen ganz unterschiedliche Konstellationen zustanden. Melanie funkt mir Christoph und er erzählt, dass die Wellen anstrengend zu ertragen sind und sie fast alle schlecht schlafen. Ansonsten beschäftigen sie sich mit Werkzeug sortieren, malen, Logikpuzzle machen, gemeinsames Essen und natürlich den üblichen Abwasch.
Wir freuen uns darüber, wenn wir daran denken regelmäßig etwas zu essen (was zum Glück relativ gut klappt) und zu trinken. Wir schaffen den täglichen Abwasch inklusive Abtrocknen und Markus schaut auch Filme und Serien auf dem Handy, die er sich vorher herunter geladen hat oder spielt auf der Switch Computerspiele. Melanie frustriert das ziemlich, denn sie kann nichts gucken, lesen oder spielen. Das Schreiben ihres Reisetagebuches ist schon eine große Herausforderung. Musik oder Hörbücher hören geht ganz gut. Es ist ja nicht einmal so, dass ihr schlecht wird, aber die Augen machen einfach nicht mit. An Malen ist gar nicht erst zu denken! Trotzdem ist die Stimmung bei uns an Bord ganz gut.

Am 10. Januar 2023 haben wir nachts die ersten Fliegenden Fische an Bord. Einige können wir lebend wieder dem Meer übergeben, viele leider nur tot und ziemlich trocken, da wir sie erst am Morgen finden. Wir kommen gut voran. Wir verzeichnen Etmale von 140 bis 154 sm. Ein Etmal ist die Strecke, die wir in 24 Stunden von 12 Uhr mittags bis 12 mittags zurücklegen. An Bord haben wir UTC, also Weltzeit, praktischer Weise war das auf Gran Canaria die Ortszeit. Und auch wenn wir Zeitzone um Zeitzone durchsegeln, ist unsere Bordzeit weiterhin UTC.

Der 12. Januar 2023 ist ein ganz besonderer Tag, denn heute ist Bergfest. Wir haben ziemlich genau die Hälfte der Strecke zurückgelegt, ab heute ist der amerikanische Kontinent näher als Europa! Doch der Tag verläuft völlig anders als gedacht. In den frühen Morgenstunden, rund um den Sonnenaufgang, funkt Melanie mit Manuela und wird von ihr gefragt, warum wir soviel Süd machen. Melanie erklärt ihr, dass unser Kurs genau auf den Wegpunkt zuläuft, den wir vor einigen Tagen abgesprochen hatten. Manuela erklärt ihr, dass sie ebenfalls genau auf den Wegpunkt zulaufen, obwohl deren Kurs deutlich westlicher verläuft. Die beiden gleichen die Zielkoordinaten ab und stellen fest, dass der Zielpunkt der Nala deutlich westlicher angegeben ist. Kein Problem für Melanie, sie gibt einfach die angegebenen Koordinaten ein und passt den Kurs an. Und siehe da, die beiden Boote laufen wieder schön parallel. In einer späteren Funkrunde zwischen Markus und Christoph kommt heraus, dass die Nalas den Kurs etwas angepasst hatten, aber ans uns diese Info nicht weitergegeben wurde. Solche Dinge passieren einfach. Wir haben es ja zum Glück gemerkt und können nun alle darüber lachen. Generell muss an dieser Stelle mal deutlich gesagt werden, wie besonders unsere Konstellation mit unserem Buddyboat und uns ist! Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir so liebe Freunde gefunden haben und wir dieses Abenteuer gemeinsam meistern! Das ist nicht selbstverständlich. Denn es verlangt beiden Crews viel an Einfühlungsvermögen, Kompromissbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit ab. Jetzt könnte man denken, wieso, ihr segelt doch beide, also seid ihr doch gleich schnell. Dem ist aber nicht so, denn jedes Boot ist anders und die Segeleigenschaft sind selten genau gleich. In unserem Fall ist Nala die Rennziege und eMMa die Gemütliche. Das hängt unter anderem mit der Form und dem Bewuchs am Unterwasserschiff, mit der Masthöhe und der Segelfläche zusammen. Und dann ist es auch noch abhängig vom Kurs zum Wind, von der Wellenhöhe und der Wellenlänge. In den meisten Fällen ist Nala also deutlich schneller. Das bedeutet, dass wir regelmäßig miteinander sprechen müssen und unsere Segelflächen so aufeinander abstimmen, dass die Geschwindigkeit etwa gleich schnell ist. Dafür nehmen beide Crews auch einen unangenehmeren Winkel zur Welle oder ungünstigeren Winkel zum Wind hin. Zudem achten wir darauf, dass wir uns nie mehr als 4-5 sm voneinander entfernen. Und wir sprechen ja nicht nur von einem Tag lang segeln, sondern von etwa 3 Wochen am Stück und mehr als 2800 sm! Und trotzdem ist es uns und den Nalas so wichtig, dass wir es gerne alle auf uns nehmen! Danke für eure Freundschaft!

Zur Feier des Tages gibt es einen tropischen Obstsalat bei uns an Bord. Mango, Kiwi, Granatapfel, Mandarinen und Ananas wandern da rein und er schmeckt fantastisch. Wir überlegen, was wir heute zum Essen machen wollen und entscheiden uns für Nudeln mit Bolognese-Soße. Leider sind alle Gläser mit Bolognese-Soße, die Melanie vor Abfahrt extra eingekocht hat, schlecht. Schweren Herzens übergeben wir den Inhalt dem Meer.
Am Nachmittag wechseln wir wieder auf die Passatsegel und laufen nun direkten Kurs auf Barbados. Der Umbau verläuft relativ zügig und die Segel stehen gut. Allerdings nur für knapp 15 Minuten, dann müssen wir alles wieder einrollen, denn die Beschlagsschiene vom stationären Spibaum ist an der untersten Niete ausgerissen und die Schiene hat sich verbogen. Mit Bordmitteln ist es hier und jetzt so leider nicht zu reparieren. Wir tüfteln, überlegen, verwerfen, denken neu und finden nach vielen Ideen eine gute Lösung für ein Provisorium. Irgendwann stehen die Segel endlich wieder! Die Nalas litten und bangten die ganze Zeit mit uns. Wir hatten sie direkt nach Problemerkennung über Funk darüber informiert und ab da wichen sie uns nicht mehr von der Seite. Sie rollten ebenfalls ihre Segel auf kleinstes Tuch zusammen, obwohl das für sie hieß, dass sie heftig durchgeschaukelt werden. Denn wenn der Druck in den Segeln fehlt, dann rollt das Boot in den Wellen kräftig. Melanie weint, als sie das registriert, vor lauter Rührung! Deren Erleichterung ist genauso groß wie unsere, als es wieder weitergehen kann. Angespannt, ob unser Provisorium hält, fahren wir in die Nacht.

Frieda hat übrigens ihr Marotten reduziert, wenn man sie auch weiterhin nicht komplett unbeobachtet lassen sollte. Sie macht ihren Job ganz gut, allerdings wird der Wind etwas unstet. Von 12 bis 22 kn ist alles dabei und auch der Windwinkel variiert fast genauso stark. Dadurch ist auch das Wellenbild zeitweise sehr unruhig und alles zusammen macht Frieda die Arbeit nicht leichter.

In der Nacht auf den 15. Januar 2023 bekommen wir zwei Squalls ab. Squalls sind kleine, lokale Regengebiete, die sehr viel Regen und kräftigen Wind enthalten. Sie ziehen meist achterlich auf und im Squall selbst kann die Windrichtung sich stark ändern. Auf dem Radar sind sie aber ziemlich gut und frühzeitig zu sehen. Und so können wir die Nala auch rechtzeitig warnen. Beide Boote reduzieren dann die Segelfläche bis auf Badetuch-Größe, lassen den Squall über sich hinwegziehen und das Deck wird endlich mal wieder mit Süßwasser vom Salz befreit. Anschließend werden die Segel wieder auf die Größe ausgerefft, wie sie zuvor eingestellt waren. So ein Squall dauert meistens zwischen 10 und 30 Minuten. Sie können tags- und nachtsüber auftreten.
Am Vormittag übernimmt Melanie die Wache. Frieda zickt schlimmer als je zuvor. Ständig muss sie neu eingestellt und nachkorrigiert werden. Als Markus etwas Schlaf nachgeholt hat, besprechen wir die Lage. Er untersucht Frieda ausgiebig. Die Diagnose: Frieda hat Bauchschmerzen, denn ihre Lenkstange ist verbogen. Somit steht der Plan für heute. Austausch der Stange, Operateur Markus, OP-Schwester Melanie reicht ihm die Instrumente. Dabei hatte Markus vorher noch gesagt, dass er diese Reparatur definitiv nicht auf dem Atlantik machen wird! Deshalb hat er die Ersatzstange auch sehr gut und sehr tief im Schiff verstaut. So räumen wir die Steuerbordkabine frei um an die Ersatzstange zu kommen und beginnen mit der Reparatur MITTEN auf dem Atlantik. Frieda hatte scheinbar schon in den letzten Wochen Bauchschmerzen, denn sobald die Stange getauscht ist läuft sie einwandfrei, ganz brav und ohne Zicken. So schön und entspannt kann das Segeln unter Windfahne sein!

Am 16. Januar 2023 gönnen wir uns mal wieder eine Dusche im Cockpit. Dabei fällt Markus plötzlich eine kleine Madenschraube auf den Kopf. Nanu!? Wo kommt die denn her? Nach kurzem Suchen haben wir die Stelle gefunden, wo sie fehlt. Sie kommt aus unserem Bimini-Gestänge (Sonnendach über dem Cockpit). Also holen wir einen passenden Imbus raus, setzen die eine Schraube wieder ein und ziehen gleich alle anderen wieder fest. Die Nala-Crew sieht am Nachmittag einen Mahi-Mahi ganz nah an ihrem Boot. Und bei uns ziehen große Seevögel mehr als 1 1/2 Stunden lang ihre Kreise um eMMa. Sie haben sehr lange Schwanzfedern, fast wie Papageien und geben hohe quietschende Töne ab. Später finden wir mittels Internet heraus, dass es sich dabei um Rotschnabel-Tropikvögel handelten. Mit einer Flügelspannweite von mehr als einem Meter und einer Länge von 60 Zentimeter (mit Schwanzwimpel sogar 96 cm) sind sie recht groß. Diese Tiere kommen auf allen drei Ozeanen der Welt vor und verbringen 90 % ihres Lebens in der Luft und über dem Wasser. Sie jagen Fische. Nur zum Brüten sind sie auf Felsen an Land zu finden.

Melanies Freiwache am 17. Januar 2023 endet mit einem „Sch…“-Ruf von Markus aus dem Salon. Wir lagern unsere H-Milch-Packungen im Salon unter dem Sitz der Navigation und eine dieser Packungen ist aufgebläht und geplatzt. Also eine riesige Sauerei unter dem Sitz und in der Bilge! Damit nicht genug, finden wir beim Saubermachen auch noch kleine Larven und Puppen. Nach einer Funkrunde mit der Nala sind wir uns aber sicher, dass es keine Kakerlaken sind, sondern wahrscheinlich eher Fruchtfliegen. Die Nalas haben nämlich Erfahrungen mit Kakerlaken und Ameisen. Bei uns macht sich Erleichterung breit. Vorsichtshalber setzen wir Fallen und Gift trotzdem in der Bilge ein. Schaden kann es ja nicht. Mit dem Saubermachen sind wir den gesamten Nachmittag beschäftigt. Ausräumen, kontrollieren, reinigen, wieder einräumen. Dazu eine Schiffsbewegung, die an ein Kirmesfahrgeschäft erinnert. Also müssen viele Aufgaben einhändig bewältigt werden, da die andere Hand grundsätzlich zum Festhalten benötigt wird. Außerdem sorgen solche Aktionen dafür, dass die Freiwache nicht besonders viel Ruhezeit bekommt. Nachts bekommen wir leider auch nicht viel Schlaf, da der Wind etwas unstet ist und ständig Anpassungen an den Segeln vorgenommen werden müssen. Das sind die Momente, wo man sich fragt, warum man sich das eigentlich antut. Und dann kommt der nächste Sonnenaufgang so unfassbar schön und atemberaubend, dass man nur dasitzt, schaut, staunt und einem vor lauter Glück die Tränen laufen! Unsere Welt ist einfach unbeschreiblich schön!

Der 18. Januar 2023 beginnt mit einer neuen Katastrophe. Friedas Servoruder ist gebrochen und das kam so: bereits seit ein paar Tagen ist sehr viel Seegras unterwegs anzutreffen. Dabei handelt es sich um Sargassum. Das ist eine Braunalge, die freischwimmende Teppiche oder Streifen in allen warmen Meeren der Welt bilden. Durch Überdüngung der Felder und damit Einleitung in die Meere wird ihr Wachstum extrem angekurbelt. Dieses „Gras“ ist relativ fest, wirkt fast wie ein kratziger, grober Schwamm. In und unter den Algen leben unterschiedliche kleine Tiere. Für uns Segler ist es eine Herausforderung, denn entgehen kann man diesen Algenteppichen nicht. Kreuzen sich unsere Wege, hängen einige Algen am Ruderblatt, der Windfahne oder auch an der Schraube fest. In unserem Fall war es so, dass das Sargassum das Servoruder, was für die Ausgleichsbewegungen der Wellen benötigt wird, blockiert hat. Wir haben das Ruder in den Stunden zuvor schon mehrfach davon befreit, doch diesmal kommt leider auch noch eine sehr große, heftige Welle hinzu und es macht KNACK!. Das Servoruder besteht aus Hartholz und ist einfach mittig durchgebrochen! Die Welle war übrigens beim Durchrauschen so laut, dass wir das Brechen des Holzes nicht einmal gehört haben. So müssen wir Frieda erst einmal außer Betrieb nehmen und den Autopilot laufen lassen. Natürlich funken wir mit der Nala über unsere Situation, zumal uns das auch gar nicht gut gefällt. Denn wenn der Autopilot, aus welchem Grund auch immer ausfällt, dann heißt es von Hand steuern. Das ist bei uns als Zweier-Crew etwas, was wir unbedingt vermeiden möchten. So grübeln wir über Möglichkeiten und auch die Nala-Crew leidet mit uns. Irgendwann hat Christoph eine Idee und findet bei sich an Bord noch ein Stück Hartholz, was etwa die passende Länge und Breite hat. Über Funk werden nun Daten hin und her gegeben, das Provisorium schon einmal soweit möglich vorbereitet und sich Gedanken zu einer Übergabe-Möglichkeit gemacht. Im Passatwind mit rund 16 bis 22 kn und einer Wellenhöhe von etwa 2,5 bis 4 m ist ein Längsseitsgehen absolut unmöglich! Doch es wäre nicht der Nala-eMMa-Kosmos, wenn wir keine Lösung finden würden! Am Nachmittag findet dann die Übergabe eines Not-Servoruders durch die Nala an die eMMa komplett unter Segeln statt. Dafür reffen wir die Segel weg um Geschwindigkeit aus dem Boot zu nehmen, die Nala setzt sich vor uns, lässt an einer sehr langen Leine einen Fender ins Wasser, an dem das Stück Holz befestigt ist. Melanie steht am Ruder und steuert von Hand und fiert bei Bedarf die Segel noch etwas auf. Markus steht am Bug und fischt den Fender aus dem Wasser, nimmt das Holz ab und knüpft unser Care-Paket für die Nala im Austausch an. Das besteht aus unserem wasserdichten Seesack und der ist gefüllt mit Plätzchen, Cola, Fanta und Äpfeln. Er wirft also das Care-Paket ins Wasser, wir setzen wieder mehr Segelfläche und überholen die Nala an Backbord, während die Nala die Segel fiert und das Care-Paket an Bord zieht. Es ist ein perfektes Übergabemanöver und leider hat es niemand mit der Drohne gefilmt! An dem Stück Holz hat die Nala übrigens auch für uns noch eine Flasche als Trostschluck befestigt. Das sehen wir aber erst, als wir das Holz im Cockpit liegen haben. Markus passt noch den letzten Rest an und wir probieren die Notlösung aus. Sie steuert, aber natürlich nicht so gut wie das Original. Es ist und bleibt eben eine Notlösung und wir hoffen, dass wir sie nicht brauchen werden und unser Autopilot bis Barbados gut durchhält.

Unser Essen auf See ist abwechslungsreich und ausgewogen. Als wir mal wieder mit leckerem selbstgemachten Mango-Joghurt gemeinsam im Cockpit sitzen, müssen wir an Johannes Erdmann denken, der sich, nach eigenen Angaben während seiner ersten Atlantiküberquerung fast nur von Nudeln und Tomatensoße ernährt hat. Wir genießen die Abwechslung, auch wenn die Zubereitung oft eine große Herausforderung ist. Oft sitzen wir zum Zwiebelschneiden oder Gemüse würfeln auf dem Cockpitboden. Das Brettchen und Messer zwischen den Beinen, Markus hat da schon mal ein wenig Panik bekommen, und gut eingekeilt zwischen den Sitzbänken. Daneben steht immer schon eine große Schale bereit, denn alles was fertig geschnippelt ist, muss da sofort verstaut werden. Denn sonst purzelt es durch das gesamte Cockpit. Alle alltäglichen Aufgaben benötigen unfassbar viel Zeit, aber dadurch vergehen die Tage auch ohne jegliche Langeweile. Und unser Respekt für Solosegler und Non-Stop-Weltumsegler wie Wilfried Erdmann, der das ganze auch noch gegen den Wind gemacht hat oder wie Boris Herrmann, der trotz seiner Höhenangst bei Wind und Welle in den Mast musste, wächst mit jedem Tag auf See. Zudem stellen wir fest, dass Melanie als Soloseglerin definitiv einen alternativen, unsichtbaren Gesprächspartner ,wie Robinson Crusoe, haben würde. Sie spricht ja schließlich auch schon immer mit Frieda, unserer Windfahne!

Die letzten 48 Stunden unserer Überfahrt sind geprägt von „Mittelfinger-Wellen“. So haben wir Wellen getauft, die einfach mal etwas quer kommen. Die meisten Wellen kommen achterlich eher von Steuerbord und immer wieder haben wir ein paar besonders hohe Wellen dabei, die eher von Backbord kommen. Man kann sich sicherlich gut vorstellen, wie das Geschaukel dann aussieht. Und was es mit der Stimmung an Bord machen kann. Wenn dann noch Hormon- und Stimmungsschwankungen, Schlafmangel und eine enorme Kraftanstrengung für ganz einfache Alltagstätigkeiten hinzukommen, dann ist es nicht immer einfach zu ertragen! Markus versenkt dann auch noch unsere Gastlandflagge von Barbados in den Fluten des Atlantik, weil sie ihm einfach aus der Hand geweht wurde. So können wir nur die Q-Flagge setzen, als Signal, dass wir einklarieren möchten. Wir werden dann auf Barbados eine neue Gastlandflagge kaufen.

Je näher wir Barbados kommen, desto mehr Tölpel sehen wir. Auch der Schiffsverkehr nimmt wieder etwas zu und irgendwann sehen wir das erste mal wieder Land! Noch ist es weit weg und nur als Schatten zu erahnen, aber je näher wir kommen, desto deutlicher ist es zu erkennen. Es zeichnet sich allerdings ab, dass wir erst in der Nacht ankommen werden. So geht die Sonne unter und die Lichter der Zivilisation werden sichtbar. Es kommt uns irgendwie surreal vor. Mitten in der Nacht am 23.01.2023 um 1:30 Uhr UTC fällt unser Anker auf Barbados vor Bridgetown nach 20 Tagen, 8 Stunden und 30 Minuten und einer Strecke von 2816 sm! Wir haben es geschafft! Wir haben gemeinsam mit unserem Buddyboat Nala den Atlantik überquert! Mit eMMa haben wir übrigens bei Ankunft auf Barbados 12.000 sm voll gemacht. Das heißt, dass ein Viertel unserer gesamten gemeinsamen Seemeilen über den Atlantik gingen! Wir sind stolz auf uns und wir sind uns wieder einmal sicher, eMMa ist nach wie vor das richtige Boot für uns!

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