Zeitraum: 21.02.2022 - 27.02.2022
Revier: Mittelmeer, Spanien, Estepona - Caleta de Vélez
Boot: eMMa - Moody 44
Crew: Markus
Melanie


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Wochenbericht 28 - Zwischen Normalität und Ausnahmezustand

Den Montag verbringen wir noch in Estepona. Gemeinsam mit den Nalas, inklusive Großeltern, gehen wir am Abend noch einmal zum Chinesen. Eigentlich wollten wir ja alle zum Griechen. Die Lichter am Lokal sind außen auch an, die Öffnungszeiten sagen, es hat offen, aber drinnen tut sich gar nichts. Und so verbringen wir also einen weiteren Abend bei leckerem chinesischen Essen, wenn auch dieses Mal in großer, geselliger Runde. Nach dem Essen verabschieden wir uns von Oma und Opa Nala ganz herzlich. Die beiden sind uns echt ans Herz gewachsen!

Am Dienstag Morgen legen wir ab, aber nicht ohne vorher noch einmal die wunderschönen, supersauberen und echt schön gestalteten Sanitäranlagen zu nutzen. Zunächst empfängt uns Flaute, dafür aber auch keine Welle. Unsere Segel setzen wir eher alibimäßig. Allerdings kommt dann am Kap Richtung Málaga doch noch Segelwind auf. Er weht zwar aus Nord, also genau auf die Nase, aber immerhin. Dann wollen wir mal kreuzen. Und es macht uns richtig viel Spaß. Auch die Nala kreuzt fleißig. Dazu begleitet uns ein toller Sonnenuntergang und ein magisches Abendrot. Leider schläft anschließend auch der Wind wieder etwas ein. Deshalb beschließen wir zur Unterstützung den Motor zu starten. Das Großsegel bleibt stehen, die Genua rollen wir weg. Nach etwa einer halben Stunde, Markus ist gerade zur Toilette unter Deck verschwunden, nimmt Melanie etwas Drehzahl weg, weil der Wind wieder mehr geworden ist, da geht der Motor ohne jegliche Vorwarnung einfach aus. Melanie fragt, ob Markus unten etwas am Motor gemacht habe, aber dies verneint er. Neustarten ist nicht möglich. Mit der Weile ist es komplett dunkel geworden. Zum Glück hat der Wind noch etwas zugenommen, so dass wir wieder segeln können. Und gedreht hat er auch, so dass wir unseren Kurs anliegen lassen können. Wir machen uns an die Fehlersuche. Entlüften die Dieselleitung, checken die Filter, kontrollieren den Tagestank und starten den Motor noch einmal neu. Einen Fehler finden wir nicht wirklich, aber der Motor läuft wieder einwandfrei. Wir funken die Nala an und berichten ihnen von unserer Situation. Sie holen etwas zu uns auf und sind als Backup-Lösung an unserer Seite. Es ist gut zu wissen, dass man in so einer Lage nicht allein ist. Aber wir kommen ohne weitere Zwischenfälle an unserem Ankerplatz vor Málaga an. Wir ankern in einem alten Hafenbecken links neben der riesigen Einfahrt des Haupthafens. Für die Nacht bietet es uns ein ruhiges Liegen.

Am folgenden Morgen geht es für uns weiter nach Caleta de Vélez, denn die Marina von Málaga ist uns zum einen zu teuer und zum anderen ist für die nächsten Tage sehr starker Ostwind angesagt und der Hafen liegt nach Osten hin ziemlich offen. Was gestern toller Segelwind war, reicht heute leider nicht aus, da sich eine relativ hohe Welle aufgebaut hat über Nacht. Also muss der Motor unterstützen, aber so weit ist es ja zum Glück nicht. Vorbei an Industrieanlagen, die wie Raketen-Abschuss-Rampen aussehen und dem riesigen, schwarzen Stier auf den Hügeln, erreichen wir den Hafen von Caleta de Vélez. Die Einfahrt ist nicht ohne, da relativ hohe Wellen in die Bucht drücken. Doch direkt hinter der hohen Hafenmole ist das Wasser ruhig und glatt. Empfangen werden wir von unzähligen Möwen, denn die Einfahrt zum Yachthafen führt mitten durch den Fischereihafen. Es riecht nach Fisch, Möwen kreischen, der Barcodescanner piepst über das Gelände, Fischer lärmen und rufen, lachen und fluchen. Uns gefällt es trotzdem. Am Wartesteiger legen wir an und lassen die Nala zu uns ins Päckchen gehen. Als wir endlich einen Marina-Mitarbeiter finden entschuldigt er sich tausend mal dafür, dass er nicht am Wartesteiger stand um unsere Leinen anzunehmen. Wir erhalten Liegeplätze zugewiesen und Codekarten für die Sanitäranlagen und den Stegzugang. Außerdem fragt er uns, ob wir Hilfe beim Umlegen bräuchten. Wir bedanken uns artig und verneinen dies. Der Wind ist eingeschlafen, Wellen gibt es im Hafen nicht und da die Nala zuerst umlegen, sind sie so nett und nehmen unsere Leinen am Steg an. Alles klappt wie am Schnürchen. Wir hatten in unserer Ankerplatz-App Navily schon mehrfach gelesen, dass es Leute gibt, die einem Hafen eine schlechte Bewertung geben, weil kein Marina-Mitarbeiter parat stand um die Leinen anzunehmen. Wir finden, dass es ja ein netter Service ist, aber auch nicht mehr. Schließlich legen wir sonst auch zu zwei an ohne zusätzliche Hilfen.

Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Uns verschlägt es die Sprache, macht uns fassungslos, lässt uns frösteln. Angst macht sich breit, nicht nur bei den Kindern der Nala. Krieg in Europa, was heißt das für uns? Wie weit wird Putin gehen? Kann man ihn überhaupt stoppen? Wie geht es den Menschen in der Ukraine? Wie fühlen sich die Männer, die nun einberufen werden? Wie geht es den Frauen und Kindern, den Familien, die getrennt werden und in eine Ungewissheit gehen, die wir nicht einmal ansatzweise erahnen können. Trotzdem entscheiden wir uns für den Besuch von Málaga. Nur wir vier Erwachsene fahren mit dem Bus dorthin. 3,32 € kostet die fast eine Stunde dauernde Fahrt dorthin pro Person. Wir schlendern durch die Stadt, besichtigen die Festung und die Burg. Die Ablenkung tut gut, ist aber immer nur temporär. Wir gehen Tapas essen. Etwas, was wir schon seit A Coruña mal machen wollten. Da wir uns alle mit Tapas nicht wirklich auskennen, bestellen wir 12 unterschiedliche Tapas und teilen sie uns alle. Dazu trinken wir Sangria und genießen es sehr. Natürlich kreisen auch hier die Gespräche immer wieder um das Geschehen in Europa und den Umgang damit. Die Medienflut macht das ganze nicht leichter. Unmengen an, meist ungefilterten, Informationen stürzen auf einen ein. Gespräche drehen sich automatisch um den Krieg, was gerade im Beisein der Kinder nicht immer einfach ist. Je älter die Kinder sind, desto weniger kann man es von ihnen fern halten. Und doch überfordert man sie eigentlich damit, ohne es zu wollen. Aber uns überfordert es ja auch! Beschäftigt es uns mehr als die Menschen zuhause? Mehr vielleicht nicht, aber teilweise anders. eMMa fährt (und heizt bei Bedarf) mit Diesel, aber im Verhältnis brauchen wir relativ wenig davon. Und die Außentemperaturen hier haben zwar im Moment echte Tiefstwerte erreicht für den spanischen Winter, aber im Vergleich zu Deutschland ist es hier warm. Unser Leben an Bord ist auf ein autarkes Leben ausgerichtet, das gibt schon eine gewisse Sicherheit. Hinzu kommt, dass wir mehrere tausend km weiter südlich sind, also deutlich weiter weg als die Menschen zum Beispiel in MV oder Berlin. Dafür haben wir die Zeit uns mit dem Ganzen zu beschäftigen. Und das, was wir dort sehen, macht uns große Sorgen und auch Angst. Es ist nicht einfach den Spagat zwischen diesen Gefühlen und den Langfahrtsegler-Erlebnissen zu finden. Wir gehen spazieren, beobachten einen Karnevalsumzug für Kinder, treffen auf verkleidete Jugendliche und Erwachsene. Diese Normalität in all dem Wahnsinn tut gut, lässt inne halten. Lässt uns darüber nachdenken, was uns wichtig ist. Immer wieder telefonieren wir mit Freunden und Familienmitglieder.

So unruhig wie die Stimmung in Europa und in unserem Inneren, so unruhig ist auch das Wetter. Starkwind pustet uns in Caleta de Vélez durch, hohe Wellen brechen sich am Strand und auch an der riesigen Hafenmole. Dazu peitscht Regen über das Land. Grau in Grau, aber manchmal kommt auch kurz die Sonne durch. Ein bisschen wie ein Spiegel der ganzen Situation.

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