Zeitraum: | 20.09.2021 - 26.09.2021 |
Revier: | Atlantik, Biskaya, Frankreich - Spanien |
Boot: | eMMa - Moody 44 |
Crew: | Markus Melanie |
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Wochenbericht 10 - Biskaya und Biskaya Nachzügler
Liebe Blog-Leser, vielen Dank für eure Geduld. Der 10. Wochenbericht hat ein wenig auf sich warten lassen. Das lag daran, dass wir unsere Gedanken und Gefühle erst ordnen und dann in Worte fassen mussten, was nicht ganz leicht war. Es ist immer leichter schöne Ereignisse und Erlebnisse in Worte zufassen und darüber zu berichten, als über die nicht so schönen Erlebnisse. Unsere Biskaya-Überquerung war aber, trotz aller Vorbereitungen, leider deutlich anstrengender und kräftezehrender als erwartet.
Montag, 20.09.2021 bis Mittwoch, 22.09.2021 - Biskayaüberquerung
Wir haben lange das Wetter verglichen, vorgekocht, alles noch einmal überprüft und geschaut, dass alles Seefest verstaut ist. Mit dem 2. Hochwasser ging es dann am Sonntag Nachmittag los. Windstärke und Windrichtung waren auch so wie vorhergesagt, nur die Wellen waren, nach Verlassen der Bucht von Brest deutlich höher als erwartet. eMMa wurde mächtig durchgeschüttelt, da die Atlantik Dünung aus einer anderen Richtung kam als der Wind. So ging es in die erste Nacht mit der Hoffnung, dass sich die Bedingungen noch bessern. Leider kam es aber ganz anders. Der Vollmond war noch nicht aufgegangen und in der dunklen Nacht hatte sich einen Regenfront genähert, ohne dass wir sie vorher gesehen haben. Es begann zu regnen und der Wind frischte deutlich auf. Innerhalb von kürzester Zeit verdoppelte und verdreifachte sich die Windstärke und hörte nicht auf zu steigen. Melanie wurde aus ihrer Freiwache geholt und wir pickten uns beide im Cockpit ein. Eine Maßnahme, die wir sonst nur machen, wenn wir das geschützte Cockpit verlassen. Der Wind hatte sich inzwischen vervierfacht und eMMa wurde sehr stark auf die Seite gelegt, so dass ihr Deck überspült wurde. Dabei hat sich unsere bewusste Kaufentscheidung für eMMa, gerade in solchen extremen Situationen, echt bewährt. Unser Cockpit ist recht klein im Vergleich zu anderen Booten gleicher Größe. Es ermöglicht uns aber dadurch, dass wir uns auch bei viel Schräglage gut verkeilen und abzustützen können. Und durch die höhere Lage des Mittelcockpits sind wir in solchen Situationen trotzdem gut geschützt, da u.a. keine Wellen ins Cockpit einsteigen. eMMa ließ sich trotz dieser Bedingung noch gut kontrollieren. Unabhängig vom Kurs, ging es jetzt erst einmal nur darum aus dieser Regenfront heraus zu kommen. Und nach einer kurzen Pause, im Kern der Regenfront, war die Rückseite zwar auch noch einmal mit viel Regen und Wind anstrengend, aber nicht mehr so stark wie der erste Teil.
Als sich der Wind wieder etwas beruhigt hatte, kamen wir auch dazu, auf die Messwerte zu schauen und stellten fest, dass wir in der Spitze 49,2 kn (Windstärke 10) Wind hatten. Das entspricht 91 km/h und ist an Land in der Lage Bäume zu entwurzeln und Dächer abzudecken.Auch wenn das Ganze nur einige Minuten gedauert hat, ist es jetzt noch Tage nach der Überfahrt immer noch sehr präsent und löst natürlich bei uns verschiedenste Emotionen aus.
Auf See hatten wir zwar rein theoretisch Zeit über vieles nachzudenken, waren aber leider mit anderen Dingen beschäftigt. Uns beide hatte zunehmend die Seekrankheit erwischt. Wobei es nicht DIE Seekrankheit gibt. Es ist eher so ähnlich, als wenn jemand Fieber hat. Da ist zwischen leicht erhöhter Temperatur und gefährlich hoher Körpertemperatur ja auch eine riesige Spannweite. Außerdem fühlt man sich mit Fieber ja nicht immer den ganzen Tag schrecklich krank, sondern es variiert zu unterschiedlichen Tageszeiten. Und so erging es uns auch mit der Seekrankheit. Wir haben die erste Phase mit leichter Übelkeit schnell übersprungen, aber auch die letzte Phase, wo man komplett außer Gefechte gesetzt ist, immer vermeiden können. Denn wir hatten es geschafft, dass wir jeweils dem Anderen genug Zeit zum Ausruhen geben konnten.
Aber durchweg bis zur Ankunft in Spanien hatten wir mit Seekrankheit, ausgelöst durch die unruhige See, zu kämpfen. Am besten kamen wir beide damit zurecht, wenn wir im Salon auf der vorbereiteten Seekoje liegen konnten. Die Übelkeit wurde mit der Zeit zwar etwas besser, aber wenn der Körper nichts zu sich nehmen kann, dann schwindet auch rasch die Energie irgendetwas zu machen. Es ist sehr schwer zu beschreiben, wie kräftezehrend solche Bedingungen sind. Wir waren ja die ganze Zeit in Bewegung, auch beim Liegen. Wir wissen nicht, ob sich jemand, der so etwas noch nie erlebt hat, überhaupt vorstellen kann. So fiel es dann um so schwere am 2. Tag die Passatsegel zu setzten. Es ist zwar immer einiges an Aufwand, gerade bei solchen Bedingungen, die Segel von normal auf Passatsegel zu ändern, aber wenn sie dann einmal stehen, haben wir dann umso weniger Aufwand in den nächsten Stunden oder sogar Tagen. Solange der Wind stabil von Achtern kommt. Wir teilten die Vorbereitung dazu in 3 Schritte auf und ruhten uns dazwischen immer wieder im Cockpit kurz aus. War das Setzten der Spibäume für uns am Anfang der Reise noch was Neues, so war es gerade in dieser Situation gut, dass wir auch hier unsere Abläufe bereits gefunden haben und als Team super zusammen arbeiten. Wir waren danach sehr geschafft, aber dafür konnten die Segel bis kurz vor Spanien so stehen bleiben. Und gemeinsam mit unserer Frieda, unserer Windsteueranlange, haben sie einen super Job gemacht.
In Spanien angekommen, brauchten wir erst einmal eine heiße Dusche, frische Anziehsachen und etwas was Warmes zu essen. Uns war zwar inzwischen nicht mehr übel, aber unsere Körper mussten erst langsam wieder an Nahrung gewohnt werden. Da gingen dann immer nur ein paar Löffel voll rein. Wir sind natürlich sehr stolz auf uns, dass wir es trotz aller Umstände geschafft zu haben. 345 sm (639 km) in 2,5 Tagen (69,75 h) auf See, unserer erste Biskaya Überquerung.
Hier vor Anker nutzen wir die Zeit, um auszuruhen und zu Kräften zu kommen. Und um uns selbst und die letzten Tage zu reflektieren. Was war gut bzw. hat gut funktioniert:
Wir haben erneut Delfine gesehen, es war fast durchweg trocken und deutlich wärmer, die Passatsegel sind super, wenn sie einmal stehen, Autopilot und Windfahne funktionieren zuverlässig auch bei widrigen Bedingungen, der Vollmond hat uns in allen drei Nächten stets hell die Nacht erleuchtet, sobald er aufgegangen war, trotz Seekrankheit war immer einer von uns in der Lagen Wache zugehen, um z.B. Fischern auszuweichen, wir haben als Team wieder einmal super funktioniert.
Bei all dem Positiven, überwiegen trotzdem die Erinnerungen an die Anstrengungen. Und die eigenen Grenzen werden einem sehr bewusst. Gut vorbereitet, mit Vertrauen untereinander und in das Schiff, lassen sich auch solche Überfahrten meistern. Brauchen oder gar wünschen, tut man dies aber niemanden. Und bei weitem ist nicht jede Biskaya-Überquerung so wie unsere. Wir haben bereits einige Segler hier in Spanien getroffen, die zum Glück deutlich bessere Bedingungen hatten als wir.
Donnerstag, 23.09.2021 - Eigentlich wollten wir heute Cedeira erkunden. Aber es gibt Starkwind. Die Ankerbucht liegt wirklich sehr gut geschützt. Doch auch wenn es nicht so sehr rollt, der Wind pustet kräftig die Berge hinunter und erreicht dabei immer wieder auch die 30 kn. Unser Anker hält super. Trotzdem möchten wir eMMa bei dem Wind nicht alleine hier liegen lassen. So vertreiben wir uns die Zeit an Bord. Melanie bereitet ihren Kurs für die nächste Woche vor und wir spielen Spiele. Außerdem sorgt Markus immer wieder für kleine Zwischenmahlzeiten, damit sich unsere Mägen wieder an die Essensaufnahme gewöhnt. Und so ganz langsam kommt auch die Kraft wieder. Was so ein paar kleine Kalorien ausmachen können!
Freitag, 24.09.2021 - Es pustet am Morgen noch immer, aber eMMa liegt vergleichsweise ruhig. Die Bucht ist echt toll geschützt und ruhig. Wir nutzen das und holen unsere Waage heraus. Okay, auch hier hat die Biskaya Spuren hinterlassen. Aber welche, die wir jetzt nicht ganz so schlimm finden. Ein paar Kilos weniger sind doch ganz nett. Wir sind bereit wieder ein paar sm zu Segeln. Der Wetterbericht hält, was er verkündet hat. Im Mittag lässt der Wind etwas nach, wie angekündigt und wir gehen Anker auf. Die Bäume für die Passatsegel haben wir bereits vor Anker vorbereitet. Wir fahren aus der Bucht raus, biegen nach Backbord (links) ab und setzen die Segel. Dann folgen mehrere Stunden schönstes Passatsegeln und wir können es so richtig genießen! Selbst als wir an der nächsten Landzunge Richtung A Coruña südlich abfallen müssen, können wir die Passatsegel stehen lassen, weil der Wind ebenfalls etwas mit dreht. Zwei weitere Yachten sind etwa gleich schnell wie wie unterwegs. 5 sm vor A Coruña zieht sich der Himmel zu. Die Stadt sehen wir nur kurz, dann verschwindet sie bereits hinter einem Regenvorhang. Es sieht nach Gewitter aus. Wir entscheiden uns Ölzeug anzuziehen, die Passatsegel einzurollen und den Motor zu starten. Kaum 5 Minuten später prasselt dichter Regen auf uns ein und es fängt an zu gewittern. Eine halbe Stunde motoren wir durch den Starkregen, dann ist das Gewitter endlich hinter uns und zieht weiter auf die See raus. Wir fahren die letzten zwei Seemeilen bis zu unserem heutigen Ankerplatz. Die See ist, bis auf den normalen Schwell, komplett glatt. Wir geben unseren Freunden von der Tut Tut Bescheid, dass wir morgen zu ihnen mit dem Dinghy kommen und unser Päckchen abholen.
Samstag, 25.09.2021 - Wir lassen den Tag langsam und gemütlich beginnen. Markus hat die tolle Idee eine kleine WhatsApp-Gruppe mit den Crews der Tut Tut, der Ariba, der Nala und uns zu erstellen und nachzufragen, ob sie Lust haben, dass wir uns alle gemeinsam treffen. Sofort kommt begeisterte Zustimmung von allen Seiten und wir einigen uns darauf am Abend gemeinsam irgendwo essen zu gehen. Nach einem Frühstück, der Magen nimmt so langsam wieder gewohnte Mengen auf, bringen wir unser Dinghy zu Wasser, hängen den Außenbordmotor an und fahren die 20 Minuten über die Bucht zur Marina von A Coruña. Nach einer kompletten Runde durch den Hafen finden wir die Tut Tut und werden total lieb begrüßt. Wir machen das Dinghy bei ihnen fest und sitzen anschließend im Salon, spielen mit den Kindern, quatschen mit den Erwachsenen. Nach zwei Stunden machen Markus und Melanie sich dann auf den Weg ein wenig die Stadt zu erkunden. Außerdem wollen wir ja auch einen Tisch für heute Abend reservieren. A Coruña gefällt uns. Wir suchen nach einem Lokal, was sich als schwieriger herausstellt, als wir gedacht haben. Denn wir brauchen einen Tisch für 11 Erwachsene und zwei Kinder. In vielen der kleinen Restaurants sind die Tische und Stühle aber so eingepasst, dass man sie nicht als Tafel zusammenstellen kann. Und in den ersten zwei Lokalen, wo wir nachfragen, bekommen wir die Antwort, dass alles besetzt ist. Melanie müht sich mit ihrem Spanisch ab und fragt noch mal explizit nach heute Abend. Sie bekommt die Antwort das doch „fin de semana“ sei, also Wochenende. Da erst fällt es uns wie Schuppen von den Augen! Heute ist Samstag! Also suchen wir weiter und werden sogar fündig. Eine Pizzeria stellt für uns 4 Tische draußen zusammen. Allerdings geht es erst um 20:15 Uhr. Das ist okay! Wir sind ja schon gar nicht mehr wählerisch. Nach der Reservierung informieren wir die anderen Crews über die WhatsApp-Gruppe. Alles sind damit einverstanden und freuen sich auf den gemeinsamen Abend.
Wir schlendern zunächst zur Eisdiele und gönnen uns ein leckeres Eis. Danach machen wir es uns auf einer Bank an der Promenade gemütlich. Markus ruht sich etwas aus und Melanie möchte nun endlich Reisetagebuch schreiben, damit sie die Gedanken und Gefühle der Biskayaüberquerung nicht vergisst. Nach einer Weile macht sich Markus auf und erkundet die Stadt. Er kommt mit tollen Fotos zurück. Melanie schreibt zunächst noch weiter, telefoniert mit einer Freundin und trifft sich mit Marion von der Ariba zu einem ersten persönlichen Kennenlernen. Es ist immer wieder schön, wenn man Menschen, mit denen man seit mehreren Wochen oder gar Monaten schreibt und über die verschiedenen Social Media Kanäle Kontakt hat, endlich persönlich kennenlernt. Und wenn man dann auch noch feststellt, dass man auf gleicher Wellenlänge liegt, ist es doppelt so schön. Wir quatschen einige Zeit und gehen dann gemeinsam zu ihnen an Bord. Dort lernen wir den zweiten Teil der Ariba Crew kennen und natürlich das Schiff. Und in Sichtweite liegt auch die Nala, aber wir sehen niemanden an Bord. Sie sind bestimmt noch unterwegs. Die Zeit vergeht wie im Flug und wir machen uns auf den Weg zur Pizzeria. Es wird ein richtig schöner Abend mit leckerer Pizza und Sangria. Und zum Abschluss laufen wir um 23 Uhr noch an einer Eisdiele vorbei und kaufen Eis als Nachtisch. Es ist noch immer angenehm war in der Stadt. Erst wieder an der Hafenpromenade wird es deutlich kühler. An der Citymarina verabschieden wir uns von den Nalas und von den Aribas und schlendern gemeinsam mit den Tut Tuts zur anderen Marina herüber. Hier liegt ja noch unserer Dinghy. Es weht kein Wind und das Wasser ist glatt, bis auf einen leichten Schwell vom Atlantik her. Wir verabschieden uns von den Tut Tuts und düsen mit unserem Dinghy durch die Nacht zu eMMa zurück.
Sonntag, 26.09.2021 - Nach einem kleinen Frühstück, irgendwie sind wir beide heute morgen noch etwas müde, bauen wir den Außenborder vom Dinghy ab, befestigen ihn wieder am Geräteträger und verzurren das Beiboot an Deck. Für morgen haben wir einen Landausflug nach Santiago de Compostela, gemeinsam mit den Nalas, geplant. Lange diskutieren wir, wo wir eMMa lassen und entscheiden uns dann zusammen dafür, dass wir von heute bis Dienstag in die Marina gehen. Der Wind bläst kräftig mit 18 bis 20 Knoten. Trotzdem klappt das Anlegen in der Box mit Fingersteg ganz gut. Als wir fest und angemeldet sind, geben wir den Tut Tuts Bescheid, dass wir da sind und sie gerne später zum Gegenbesuch vorbeikommen dürfen. Markus will Landstrom anschließen, stellt aber fest, dass die Steckdosen für größere Yachten gedacht sind. Aber wir haben einen solchen Stecker an Bord, jedoch noch nicht montiert. Also kleine Heimwerkerarbeit so mal eben nebenbei und schwups, haben wir einen passenden Stecker. Die Tut Tuts kommen am späten Nachmittag. Wir Erwachsene unterhalten uns super und bespaßen fleißig immer wieder die beiden kleinen Kids von ihnen. Da wird eMMa dann zum Piratenschiff und wird geentert, in unserem Bett entsteht eine Höhle, mit Stirnlampe und Bilderbuch lässt es sich dort prima aushalten. Es wird Verstecken gespielt und geschaukelt. Und die Kleine zeigt uns ihre Roll- und Beinahe-Krabbel-Künste auf eMMas Fußboden. Später am Abend, die Kinder werden von den Eltern ins Bett gebracht und schlafen, spielen dann wir fünf Erwachsene auf der Tut Tut eine Runde Ligretto. Wir lieben dieses Spiel. Es ist ein Kartenspiel mit einfachen Regeln, lässt sich überall mit hinnehmen und macht unheimlich viel Spaß! Danke liebe Tut Tuts für diesen schönen Abend!
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