Zeitraum: | 18.04.2022 - 24.04.2022 |
Revier: | Mittelmeer, Balearen, Ibiza und Mallorca - Barcelona |
Boot: | eMMa - Moody 44 |
Crew: | Markus Melanie |
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Wochenbericht 35 - von Mutproben, Bücher, Rosen und Drachen
Was für eine Woche! Am Ostermontag stehen wir, für unsere Verhältnisse, früh auf. Denn wir wollen heute Ibiza mit dem Roller erkunden. Mit dem Beiboot geht es an den kleinen Strand. Das Anlanden klappt super und wir ziehen das Dinghy bis an den Rand, da es hier einen Holzsteg gibt, an dessen Pfosten wir es anschließen können. Melanie fädelt das Kabelschloss ein und fragt beiläufig, zum Glück noch vor dem Schließen nach, ob Markus den Schlüssel fürs Dinghy-Schloss im Rucksack hat. Seine Antwort, ich dachte, Du hast ihn! Oh nein, wir haben jeder gedacht der andere hat ihn. Also liegt er noch auf der Salonbank. Wir fädeln das Kabelschloss wieder aus und Markus düst mal wieder zu eMMa zurück, um den Schlüssel zu holen. Wir brauchen wirklich eine Checkliste für Landgänge! Allerdings ist es nicht so, dass Markus es nicht auch ein wenig genießt alleine mit dem Dinghy zu fahren. Denn dann kann man den Motor etwas mehr aufdrehen und das kleine Beiboot kommt gut ins Gleiten. Melanie ist in der Zwischenzeit nicht untätig, sondern bringt schon einmal die Müllbeutel weg. Kurze Zeit später können wir gemeinsam das Dinghy an die Kette legen und lassen es, gut gesichert, zurück. Wir schlendern die, noch leere, Promenade entlang und genießen diese Ruhe am Morgen. Das Leihen des Rollers geht rasch. Man braucht nur einen gültigen Führerschein fürs Autofahren, muss diesen mindestens 3 Jahre besitzen, einen Pass oder Personalausweis und eine Kreditkarte. Nach 10 Minuten stehen wir vor einer wunderschönen, dunkelblauen Vespa. Als 125er Roller bietet die Sitzbank bequem Platz für zwei. Da Markus einen Motorrad-Führerschein hat, lässt Melanie ihm den Vortritt beim Fahren. Es geht raus aus der Stadt in die bergige Landschaft von Ibiza. Das Fahren fühlt sich, nach so vielen Monaten des langsamen Reisens, noch sehr ungewohnt an. Das Wetter ist fantastisch. Die Sonne scheint und die Temperaturen sind frühsommerlich warm. Wir haben uns eine Route mit Sehenswürdigkeiten erstellt, die wir heute mit dem Roller abarbeiten wollen, da sie für uns zu Fuß oder mit dem Boot nicht erreichbar sind bzw. wir sie sonst aufgrund des Windes auslassen müssten. Unser erstes Ziel ist die Ruine Festival. Wer mehr über die Geschichte des Festival Clubs, von seinem Aufbau und Niedergang, der guckt am besten unter ibiza-heute.de/festival-club-die-ruinen-des-party-paradieses/ . Das Gelände ist beeindruckend riesig. Keine Schönheit, die war es auch früher definitiv nicht, aber faszinierend. Die glatten Betonflächen sind größtenteils mit Graffiti versehen. Viele sind toll, manche nur Schmiererei. Die Anlage lässt heute viel Raum für Fantasie. Hier ein Konzert von Versengold … . Die Natur erobert sich, Stück für Stück, das Gelände immer mehr zurück. Wahrscheinlich macht gerade auch sie diesen Ort so einzigartig. Wir sind heute nicht die einzigen, die durch die Ruine streifen. Ein Fotokurs, überwiegend niederländisches und englisch-sprachiges Klientel, sucht ebenfalls nach den besten Spots. Zwei Modells stehen dabei der Gruppe, aus etwa 10 Personen, zur Verfügung.
Unser Weg führt uns anschließend ins Dorf San Agustin. Ein winziges Dorf, mit Kirche, Kirchplatz, weißen Häusern am Hang, vielen Treppen und Fußwegen, einem kleinen Lebensmittelgeschäft, ein paar Lokalen und viel Zeit. Es ist noch zu früh am Mittag und somit wirkt der Ort fast wie ausgestorben. Doch wir genießen diese Ruhe sehr, spazieren eine Runde durch den Ort, grüßen drei Senioren, die am Kirchplatz auf einer kleinen Mauer sitzen und tratschen. Sie grüßen freundlich zurück.
Weiter geht es nach Sant Antoni de Portmany. Was für ein Kontrast! Schon am Ortseingang ist die erste Rotlicht-Bar zu finden. Und es folgen noch viele weitere Bars, Clubs, Discotheken und Restaurants. Ein Ort für Touristen, für Seeleute, für Menschen die Action brauchen. Ein Ort mit vielen Baustellen, mit Table Dance Bars, Modegeschäften und kleinen Andenkenläden. Es gibt eine Fußgängerzone, eine große Marina und das Huevo de Ibiza, das Ibiza Ei, eine Statue auf einem Kreisverkehr. Was wir von Sant Antoni de Portmany halten sollen, wissen wir auch nach unserem Rundgang nicht so recht. Wir landen in einem Lokal, was genauso wenig einzuordnen ist wie diese Hafenstadt. Ein bisschen Bistro, wir bestellen Bocadillos (belegte Baguette), ein wenig Bar und gleichzeitig Eisdiele. Eine Ausstattung aus den 1970er Jahren, gepaart mit hochmoderner Technik aus dem Bereich der Spielautomaten. Nach der Stärkung schlendern wir zur Vespa zurück und fahren durch die Berge zur Cala Benirràs. Markus Motorradfahrerherz schlägt höher bei der kurvenreichen Strecke. Eine Serpentine folgt der nächsten. Immer wieder geht es rauf und runter. Die Bucht gilt als eine der letzten Hippie-Hochburgen Ibizas. Was hier im Hochsommer los ist, möchten wir überhaupt nicht am eigenen Leib erfahren! Bereits jetzt tummeln sich hier relativ viele Menschen. Trotzdem ist es noch nicht überlaufen. Wir stellen die Vespa ab und setzen uns für eine Pause in den Sand, beobachten die Menschen um uns herum und lassen den Blick über diese wunderschöne, kleine, geschützte Bucht fallen. Es gibt hier auch einen kleinen Hippie-Markt mit Kleidung und Schmuck. Schöne Sachen sind dabei. Dazu drei große Restaurants, die jetzt in der Mittagszeit sehr gut besucht sind.
Wir setzen unsere Fahrt zum Torre de Portinatx fort. Wieder geht es die Serpentinen rauf und runter. Für Melanie ist es nicht immer das reine Vergnügen, aber auch sie genießt es sehr. Das letzte Stück bis zum Turm, müssen wir auch hier zu Fuß zurücklegen. Diese Abwechslung zwischen Fahren und Laufen ist gut, denn so können sich die Muskeln, die beim Rollerfahren ganz anders belastet werden, auch wieder entspannen. Der Torre ist einer von vielen Wachtürmen auf Ibiza. Sie sind im 16. bis 18. Jahrhundert erbaut worden und Teil des Verteidigungssystems gewesen. Begehbar ist der Torre de Portinatx allerings nicht und so genießen wir kurz die Aussicht auf das weite Mittelmeer in Richtung Barcelona. Trotz hervorragender Sicht ist natürlich das Festland nicht zu erkennen, schließlich ist es dafür viel zu weit entfernt.
Wir fahren nur einmal um die Bucht herum, stellen den Roller ab und machen uns auf den Weg zum Punta Moscarter Leuchtturm. Dieser Wanderweg, und ja, es ist ein offizieller Wanderweg mit Markierungen, verlangt Melanie einiges ab. Klettern über Stock und Stein ist dabei noch die leichteste Übung. Aber an einigen Stellen führt der Weg sehr nach am Abgrund vorbei und durch die vorherige Perspektive weiß man auch ganz genau, dass unter einem der Fels nur ein Überhang an der Steilkante ist. Für Melanie ist das aufgrund der Höhenangst eine riesige Herausforderung! Zweimal ist sie kurz davor wieder umzudrehen, aber wir schaffen den Weg bis zum Leuchtturm. Auf dem ganzen Weg dorthin eröffnen sich immer wieder tolle Perspektiven auf den Turm. Dort angekommen, wirkt er etwas traurig und kahl, eingezäunt mit einem Bauzaun. Leider nicht begehbar. Schade, dabei ist diese Location wirklich toll und faszinierend. Große Teile des Weges legen wir auf dem Rückweg noch einmal zurück, machen aber auch einen Schlenker durch den Wald.
Unser Abstecher nach Sant Carles zum Las Dalias entpuppt sich als unnötiger Umweg. Denn dieser hat leider wegen geänderter Öffnungszeiten an den Osterfeiertagen geschlossen. Die Schautafeln draußen erzählen viel von der Geschichte des bekannten Hippie-Marktes. Wir sind aber nicht böse drum, denn der Tag geht zu Neige, langsam wird es frisch und wir haben noch ein gutes Stück Rückweg vor uns. Diesmal nehmen wir nicht die Küstenstraße, sondern die gut ausgebaute Landstraße. Sie führt uns an Santa Eulària des Riu vorbei, durch weite Ebenen und kurvigen Straßen bis nach Ibiza Stadt, oder Eivissa, wie sie bei den Einheimischen heißt. Am Hafen entlang biegen wir noch spontan zu einer kleinen Altstadt-Rundfahrt mit dem Roller durch die Gassen von Eivissa ab. Bevor wir den Roller wieder abgeben, tanken wir ihn noch voll. Den Tag lassen wir in einem Restaurant in Strandnähe gemütlich ausklingen, bevor wir mit unserem Dinghy-Taxi wieder zu eMMa zurückkehren.
Bereits in der Nacht wurde es schon recht rollig am Ankerplatz. Gemeinsam schauen wir uns noch einmal das Wetter für die nächsten Tagen an und beschließen, nicht wie geplant an der Ostseite von Ibiza zu Ankern, sondern spontan in eine Ankerbucht nach Mallorca zu verlegen. Es sind ja nur 60 sm. Später stellt sich heraus, dass es dieselbe Ankerbucht ist, in der auch die Phoenix liegt. Wir machen alles segelklar und gehen Anker hoch. Zunächst reicht der Wind nicht zum Segeln, so dass der Motor hilft. Später setzen wir die Segel bei tollem Segelwind. So ein Amwind-Kurs sind wir gar nicht mehr gewohnt! Auf den letzten Seemeilen vor Mallorca, es ist mit der Weile Nacht, weckt Melanie Markus aus seiner Freiwache. Ein Gewitter zieht über Mallorcas Norden auf, Blitze zucken am Himmel und in der Ferne ist Donnergrollen zu hören. Aus Erfahrung wissen wir, wie schnell so ein Gewitter drehen kann und plötzlich mit sehr viel Wind auf uns einstürzen könnte. Deshalb bergen wir gemeinsam zunächst das Großsegel, können dann aber die Höhe zum Wegpunkt nicht mehr halten und entschließen uns auch die Genua wegzunehmen. Die ausgewählte Ankerbucht ist eine kleinere Bucht in einer großen Bucht. In der großen Bucht sind gleich vier Fischerboote ohne AIS unterwegs. Unter Radar sind sie zwar erkennbar, aber nicht immer ist klar, in welche Richtung sie fahren, zumal sie mitunter auch mal ganz schnell einfach die Richtung ändern können. So halten wir zu zweit Ausschau. Um 0:45 Uhr fällt der Anker und wir, nach einer kurzen Aufräumaktion, ins Bett.
Am Mittwoch schlafen wir erst einmal aus. Der Tag verläuft unspektakulär. Wir frühstücken in Ruhe, räumen auf, machen Small-Talk mit der Phoenix, faulenzen oder kontrollieren den Motorraum. Denn bei der Überfahrt ging irgendwann der Wassermelder im Motorraum an. Grund dafür war eine kleine Pfütze mit Öl. Wieder einmal beginnt die Fehlersuche. Dafür wird die Bilge wieder komplett sauber gemacht und Tücher ausgelegt, aber es ist keine Ursache zu finden.
Die Suche geht am Donnerstag für uns weiter. Diesmal rücken wir dem Motor aus allen Perspektiven mit der Go-Pro auf den Leib. Wir finden zwar noch einzelne Öltropfen, reinigen alles, aber die Ursache bleibt weiterhin unbekannt. Zum Glück sind es nur kleine Mengen Öl, die Sorge eines größeren Schadens bleibt aber bestehen. Nach der Reinigung, nichts tropft irgendwo mehr herunter, legen wir saugfähige Tücher aus. Hoffentlich kommen wir so der Ursache besser auf die Spur.
Segelklar sind wir ja sowieso. Wir bereiten noch einige Snacks vor, kochen Lasagne und genießen die Aussicht an unserem Ankerplatz. Den ganzen Tag über pfeift ein kräftiger Wind aus Nord bis Nordwest. Immer wieder bringt er ordentlich Regen mit sich. Am späteren Abend lässt, wie vorhergesagt, der Wind deutlich nach.
Um zwei Uhr in der Nacht gehen wir Anker auf und verabschieden uns von Mallorca nach unserer kleinen Stippvisite. Wir kommen ja wieder. Und dann werden wir die Insel ausführlicher erkunden. Laut Vorhersage dürften wir auf unserer Überfahrt nach Barcelona zunächst Flaute haben, dann tollen Segelwind mit achterlicher Richtung und dann wieder Flaute. Und genauso kommt es auch. Die ersten Stunden läuft der Motor. Markus kontrolliert nach einiger Zeit wieder den Motorraum und siehe da, wieder ist Öl auf den Tüchern. Doch diesmal sieht er endlich die Ursache. Beim letzten Ölwechsel hat er eine Schraube nicht wieder komplett angezogen. Kleine Ursache, große Wirkung! Das ist natürlich ganz schnell behoben. Auf das nochmalige Putzen freut er sich auch schon riesig. Die Strecke, die wir fahren, ist die klassische Fährverbindung zwischen Barcelona und Palma de Mallorca. Und kommen uns in den frühen Morgenstunden gleich drei große Fähren entgegen. Sie passieren eMMa aber mit gebührenden Abstand. Am frühen Abend wiederholt sich das Spiel, diesmal überholen uns die Fähren in die andere Richtung. Der restliche Schiffsverkehr ist an einer Hand abzuzählen. Ein Fischer weit entfernt, zwei Frachter weit entfernt, zwei Luxus-Motoryachten, ein Segelboot, was uns überholt und die Aida Cosma, die uns entgegen kommt. Sie korrigiert für uns etwas den Kurs und passiert uns mit etwa einer Seemeile Abstand. Wir sind unter Segeln unterwegs. Der Wind weht mit 15 bis 22 kn aus achterlicher Richtung und wir machen zwischen 5 und 6 kn Fahrt über Grund. Auf dem AIS hat Melanie bereits vor zwei Stunden gesehen, dass sich eine Segelyacht mit 10 bis 11 kn von achtern nähert. Wir tippten beide auf einen Katamaran. Nun befindet sich die Yacht in unserem Kielwasser und setzt zum Überholen an. Es ist kein Katamaran, sondern eine Luxus-Segelyacht mit 37 Meter Länge. Und sie ist, trotz bestem Segelwind nur unter Motor unterwegs. Wir hatten schon mal davon gehört, dass die Luxusyachten häufig nur unter Segeln laufen dürfen, wenn der Eigentümer mit an Bord ist. Wahrscheinlich haben wir es genau mit so einem Fall hier zu tun. Die Crew hat die Anweisung erhalten das Segelschiff von A nach B zu bringen, gesegelt werden darf dabei aber nicht. Unfassbar für uns! Zwei Stunden später ist die Yacht nicht mehr zu sehen. Wir kommen gut in unsere Bordroutine. Die Wellen sind hoch, aber langgezogen. Der Wind ist stabil in der Stärke, die Richtung variiert nur minimal. Wir erleben wieder den magischen Moment eines Sonnenaufgangs auf See, ebenso wie den eines wunderschönen Sonnenuntergangs. Sterne am Himmel, den Mond über dem Wasser. Tagsüber sehen wir unzählig viele kleine „Blasen“ auf dem Wasser. Es sind sogenannte Segelquallen, ob es die harmlose Variante oder die berühmt berüchtigte Portugiesische Galeere ist, können wir so nicht sagen. Sie sind etwa daumengroß und durchsichtig, Tentakeln sehen wir keine, aber dafür ist das Wasser auch zu unruhig. Die Anfahrt auf Barcelona erfolgt erst bei Dunkelheit. Der Wind hat abgenommen, die Wellen noch nicht. Der Motor unterstützt. Da wir nach 2 Uhr nachts am reservierten Yachthafen ankommen, ist die Fußgängerbrücke davor auch komplett geöffnet. Der Wind hat sich schlafen gelegt, was Melanie freut, da es ihr das Manövrieren im Hafen und beim Anlegen deutlich erleichtert. Markus funkt die Marina an. Es meldet sich auch sofort ein Mitarbeiter, allerdings spricht dieser nur Spanisch. Aber er scheint verstanden zu haben, dass wir in den Hafen wollen. Wir orientieren uns erst einmal, Melanie dreht vor der großen Kaimauer. Touristen, die noch so spät in der Nacht unterwegs sind, filmen eMMa. Manchmal würde uns ja schon interessieren, auf wie vielen Urlaubsbildern und Videos eMMa verewigt wurde. Eine Gruppe junger, deutschsprachiger Menschen steht ebenfalls am Kai und hält die Daumen raus, als wir an ihnen langsam vorbeifahren. Der Mariniero winkt uns zu sich herüber und nimmt netterweise unsere Heckleinen an und reicht uns die Mooringleinen. Melanie manövriert eMMa galant in die zugewiesene Lücke und Markus bedient die Leinen. Der Marine-Mitarbeiter begrüßt uns sehr freundlich und erzählt uns einiges, aber alles auf Spanisch. Er kann kein Englisch. Auch wenn Melanie ihm nur in kurzen Zwei-Wort-Sätzen antworten kann, versteht sie zumindest die grundlegenden Dinge des Gesprächs. Wir sollen am Morgen mit unseren Papieren ins Marina-Office zum Anmelden kommen. Auf die Frage, wann das Marina-Office denn geöffnet habe, sagt er uns, wir sollen erst einmal ausschlafen und danach einfach rüber kommen.
Und genauso machen wir es auch. Wir fallen, nach einer warmen Mahlzeit, es gibt den Rest der Lasagne, einer Katzenwäsche und Zähneputzen, in die Kojen und schlafen rasch ein. Melanie fehlt dabei das Schaukeln der letzten Wochen. Fast genau vier Wochen ist es her, seitdem wir das letzte Mal in einem Hafen gelegen haben! Wir erwachen gut erholt nach einigen Stunden Schlaf. Das Frühstück verschieben wir auf später. Zunächst bauen wir unsere Landverbindung, die Gangway, an und machen uns anschließend mit unseren Papieren auf die Suche nach dem Marina-Office. Über einige Umwege finden wir es schließlich, melden uns und eMMa an, erhalten alle notwendigen Informationen und bezahlen unser Liegegeld bis zum kommenden Freitag. Auch wenn wir im Vorfeld schon die Gesamtsumme wussten, treibt sie uns doch ein wenig die Tränen in die Augen. Aber wir verbuchen es als Städtereise-Urlaub und auf den freuen wir uns jetzt einfach. Da am Montag Dorothea und Klaus zu uns kommen und wir mit ihnen gemeinsam Barcelona entdecken wollen, ist das ein guter Grund für einen Großputz. Wäsche waschen müssen wir auch noch.
Markus macht sich am Nachmittag mit dem großen Rucksack bewaffnet auf den Weg zum Einkaufen. Er möchte auch schon mal ein wenig die Umgebung erkunden. Melanie ist etwas müde und legt sich noch mal hin. Zwei Stunden später klingelt ihr Handy. Markus fragt, ob sie vielleicht doch noch Lust hat mit ihm gemeinsam ein wenig durch die Stadt zu laufen. Es ist sehr viel auf den Straßen los, denn heute ist Georgstag, auf katalanisch Diada de Sant Jorgi. Und dieser Tag ist in Katalonien, wo Barcelona ja zugehört, zwar kein arbeitsfreier Feiertag, aber den Einwohnern sehr wichtig, weil der Heilige Georg der Schutzpatron von Katalonien ist. Es ist der Tag der Bücher, der Rosen und der Verliebten. Aber auch der Tag für alle Menschen, die einem wichtig sind. Was hat es also nun mit den Büchern und den Rosen auf sich? Die Legende des Heiligen Georgs besagt, dass der Ritter Georg loszog um einen Drachen zu töten. Als er den Drachen mit seinem Schwert durch eine Stich ins Herz erlegte, verwandelte er sich in lauter rote Rosen. Er nahm eine Rose und überreichte sie der Prinzessin, die er liebte. Deshalb erhalten die Damen von den Herren üblicherweise an diesem Tag eine Rose. Gerne wird die rote Rose gemeinsam mit etwas gelben, vorzugsweise einer Ähre gebunden. Die Rose steht für Leidenschaft, die Ähre für Fruchtbarkeit. Aber Gelb und Rot sind zudem die Farben der katalanischen Flagge. Die Herren bekommen seit Anfang des vorherigen Jahrhunderts ein Buch von den Damen geschenkt, denn der Tag ist seit 1939 Welttag des Buches. Diese Tradition ist heute natürlich etwas aufgeweicht. So bekommen auch Frauen Bücher, Männer Rosen und auch andere, einem nahestehende Menschen werden mit dem Einen oder Anderen beschenkt.
Wir treffen uns also in der Stadt und schlendern die Straßen entlang, auf denen normalerweise Autos fahren. Aber die Polizei hat viele Straßen in der Stadt abgesperrt. Heute flanieren hier Familien, Freunde und Paare entlang. Für uns ist es ein kleiner Kulturschock, aber mit Masken und der Suche nach Flächen, die nicht völlig überlaufen sind, macht es uns mehr und mehr Spaß in diese Tradition einzutauchen. Überall stehen Menschen und verkaufen Rosen. Teilweise professionelle Floristen, die auch vor Ort frisch binden, teilweise sind es Privatpersonen oder Schülergruppen, die die Klassenkasse aufbessern. Auch Pfadfinder sehen wir Rosen verkaufen. Übrigens ist der Jorgi-Tag für die letztgenannten ein ganz besonderer Tag, denn auch von den Pfadfindern ist der Heilige Georg der Schutzpatron.
Neben den vielen Blumenverkäufern gibt es in jeder Straße und auf jedem Platz Stände mit Büchern. Nur selten ist es Antiquariat was hier verkauft wird. Meistens ist es Neuware. An einem wunderschön illustrierten Kinderbuch, auf Spanisch, kann Melanie dann nicht vorbeigehen. Übrigens werden in Barcelona jedes Jahr Autoren gewonnen, die ihre Werke dann in Signierstunden mit Widmungen versehen. Die Schlangen davor sind unfassbar lang! Und die Menschen warten mit einer Engelsgeduld und ohne Gedrängel.
Und was wäre ein Volksfest, wie dieses, ohne Essen, Trinken und Musik. Auch das kommt natürlich nicht zu kurz. Das einzige, was in diesem Jahr etwas besser hätte sein können, war das Wetter. Ab Mittag ziehen immer wieder heftige Gewitter mit Regen, Hagel, Blitz, Donner und Sturmböen über Barcelona hinweg. Sie halten sich nicht lange, aber die Regenmassen, die dabei herunterkommen sind enorm. Auch als wir dann in der Stadt sind zieht sich der Himmel wieder bedrohlich zu. Wir entschließen uns spontan den nächstgelegenen Aldi aufzusuchen und unseren Einkauf zu erledigen. Eine gute Entscheidung! Als wir eine Dreiviertelstunde später wieder auf die Straße treten, zeugen nur noch die großen Pfützen vom letzten Regenguss. Für uns war der Tag bisher nun lang und aufregend genug und wir lassen den Abend ganz genüsslich an Bord ausklingen.
Wir beginnen den Sonntag mit einem kleinen Brunch. Es folgt noch das Wäsche waschen, trocknen und zusammenlegen, sowie ein Spaziergang um den Block. Wir essen noch gemeinsam, bevor Markus sich dann am Abend auf den Weg ins Fußballstadion macht und sich ein Fußballspiel anschaut.
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